Vorwort des Dichters
Westwärts von den Ufern des Bodensees, in den mit landschaftlicher Schönheit reich gesegneten Revieren des Hegau, zu dessen burgengekrönten Basaltkuppen die silbernen Firnschneefelder der helvetischen Alpen herüber schimmern - des Klettgau, wo der hohe Randen unwirtliche Kalkrücken nach Schaffhausen hinabsinkt, und der alten Bertholdsbaar, deren kornreiche Hochebenen einst den Boden eines von Gryphäen und Ammoniten durchwimmelten Urmeers bildeten -, zwischen den tannenumsäumten Ausläufern des Schwarzwaldes und den mauergleichen Höhenzügen der weißen Juraberge, in den Stromgebieten der jung aufquellenden Donau, der wilden Wutach und Gauchach und des aus den Schaffhauser Fällen in rückläufiger Krümmung zum Inselkloster Rheinau hinabrauschenden Hochrheins ist diese Erzählung heimisch.
Im Verlauf bewegter Wanderjahre war es ihrem Verfasser vergönnt, mannigfaltige Einblicke in Vergangenheit, Sprache, Kultur jener alemannischen Landstriche, denen ihre geschichtliche und landschaftliche Bedeutung die Ehrennamen “Krone Schwabens” und “Paradies des Wanderers” errungen hat, zu gewinnen.
Nach Ansicht eines Großvaters deutscher Chronikschreibung, des wackeren Johannes Aventinus, soll ein ‘rechtsinniger Historiographus und Lehrer der freyen Künst’ nicht allein Buchkammern und Kästen fleißig durchsuchen; allerlei Handschriften, alte Freyheit, Übergabbrieff’, Chronica, Ruff, Reimen, Sprüch’, Lieder, Abenthewer, Gesäng, Betbücher, Meßbücher, Salbücher, Calender, Todtenzettel, Regyster der Heyligenleben” durchlesen und abschreiben, sondern auch in eigener Person “Hitze und Kälte, Schweiß und Staub, Regen und Schnee, Sommer und Winter erleiden, der alten und zerbrochenen Stätt’, Flecken und Burgstall Gelegenheit erforschen, Heilgthumb, Seulen, Bildniß, Creutz, alte Stein, alte Müntz, Gräber, Gemäld’, Gewölb’, Oestrich, Kirchen, Überschriften besuchen und besichtigen” und überhaupt seine besseren Gedanken wandernd und schauend auszudenken bestrebt sein.
Solche Vorschrift für richtig und weise erachtend, hat auch der Verfasser dieses Vorworts je zuweilen seine Bücherei abgeschlossen, die Reisetasche des Fahrenden um gehangen und gleich dem alten Aventinus “ manch eynen Winkel durchlaufen und durchkrochen ”. Und er zählt die Tage nicht zu den unlehrsamsten, da er die Ruinen der hegauischen Bergfesten erkletterte oder an der Wutach trümmerreichen Ufern durch schattiges Dickicht sich zwängte oder als rudernder Talwegfahrer seinen Kahn anlegte an der rheinumfluteten Klostermühle der gastlichen Mönche des heiligen Fintan.
Nur auf jenen Pfaden, auf welchem er an einem kalten Fastnachtsmontag von den Dögginger Höhen zum tiefgrünen Forellenwasser des Wildbachs Gauchach hinab rutschte, wünschte er sich keinen seiner liebeswerten Leser zum Nachfolger.
Während solcher Gänge waren die Gedanken erfüllt von der Vergangenheit derer, die hier einst ihre Wohnstätten gebaut und die an Täuschung wie Enttäuschung reiche Kampfnot des Lebens in Denkweise und Waffenkleid ihrer Jahrhunderte bestanden. Auch der erklärte Widersacher bläßlicher Romantik und unfreier Rückwärtsgelüste vermag kaum ein tiefernstes Gefühl abzuweisen, wenn ihm der Archivarius der Gegenwart die zahlreichen edeln Namen aufzählt, deren Träger hierzulande gewaltig waren, bis die Letzten des Geschlechts mit Schild und Helm zur Ahnengruft bestattet wurden.
Schon im sechzehnten Jahrhundert waren die meisten erloschen, aber noch freut sich des oberdeutschen Mannes Herz jener Blütezeit der schwäbischen Lande, da die hohenstauferischen Kaiser mit großem Ansehen und angestrengter Tätigkeit geistliche, ritterliche, städtische Kultur förderten, da schneidiger Zug in den Schwertern und schneidiger Schwung in den Geistern die junge Landeskraft siegreich fortriß nach Welschland und Syrien und die Rebenhügel des Bodensee wie die Tannenforste des herzynischen Waldes widerklangen von dem ebenso kunstreichen als jungendlich naiven Liedgezwitscher frühlingsfreudiger minneseliger Sänger und Sängerlein.
Anmutend durch merkwürdige Geschehnis und einen wahrhaft dichterischen Hauch ist das vorletzte Jahrzehnt des zwölften Jahrhunderts, wo das zu Mainz gefeierte Pfingstfest des Jahres 1184 als herrliches Frühlingsfest deutscher Nationalkraft und deutschen Geistes die sagenhaften Hoftage des König Artus durch heitern Glanz verdunkelte und europäischen Ruf gewann, dieweil im Orient langsam die Wetterwolken aufzogen.
Es war damals, wie der Geschichtsschreiber Stälin sagt, “nach Beilegung so manches Streites in Deutschland ein heiteres Ritterleben in Hof- und Reichsfesten, als die Nachricht von der Einnahme Jerusalems durch Saladin 1187 alles aufschreckte und den Kaiser, der in seiner Jugend schon eine Kreuzfahrt gemacht hatte, antrieb, durch Wiedereroberung der heiligen Stadt das Werk seines Lebens zu krönen”.
Von Studien über diesen Zeitraum angeregt, stellt sich der Verfasser auf seinen Wanderungen manchmal die Frage: Wie mag er damals, als Friedrich der Rotbart zur großen Kreuzfahrt rüstete, im einzelnen auf dieser Burg, in diesem Kloster, in diesem Flecken zugegangen sein? Oder mit anderen Worten: Wie lebte und liebte damals im engen Rahmen dieser alemannischen Landstriche die ritterliche Gesellschaft?
Die Geschichtsschreiber gaben ihm die erwünschte Auskunft nicht. An einem milden Frühlingsabend aber lagerte er fröhlich auf der schwarzen Basaltplatte vor den Trümmern von Neuenhewen und erquickte das müde Auge am Bilde des von Sonnenflimmern durchleuchteten blauen Schwäbischen Meeres. Sein damalig Wald- und Wiesenbrevier, “Carminaburana” oder besser der fahrenden Schüler lateinisches Liederbuch genannt, hatte er nicht vergessen.
" Eccegratum et optatum ver reducitgaudia,
purpruatumfloretpratum, sol serenatomnia! "
(" Sie, der liebliche und ersehnte Lenz bringt die Freuden zurück,
purpurfarben blüht die Wiese, die Sonne erheitert alles! ")
Sangeskundige Landsleute hatten die Zinnen des Turmes erstiegen und sangen vierstimmig so wacker in Luft und Land hinaus, das die Sperber des Bergwaldes niederschossen, um zuzuhören, und der Bussard abstand von des Reihers Verfolgung, den er drüben im Donauried aufgejagt. Als solchermaßen ein Anhauch’ heimatlicher Frühlingsbergluft und Gesangsfreude der Gedanken gelahrten Bücherstaub lustig durcheinander wirbelte, trat ihm die Geschichte des Juniperus vor die Seele, und er schrieb sie nieder als dichterische Selbstbeantwortung jener kulturhistorischen Fragen. Er hofft damit seinen geschichtsverständigen Lesern weder stofflose Phantasmen noch eingetrocknete Mumien unter Glaskasten, sondern lebendige Gestalten aus alter Zeit vorzuführen.
“ QuandServusnascitur
velcum in cribro ponitur
dicit ei mater
simulatque pater:
foraminaquot cribro
hocordinesuntmiro,
tot terrascircumiredebes,
sie vitamfinire. ”
(Wenn ein Schwabe geboren
und in den Wiegenkorb gelegt wird,
sagen zu ihm Mutter
und Vater:
“ So viele Löcher dieser Wiegenkorb
in wunderbarer Ordnung besitzt,
so viele Länder sollst du durchwandern,
so dein Leben beschließen. ”)
Altschwäbischer Gedenkspruch 13. Jahrhundert
Juniperus
Geschichte eines Kreuzfahrers
In kühler Gartenveranda des Klosters auf Berg Karmel saßen im Jahre des Herrn elfhundertundneunzig etliche deutsche Kreuzfahrer ritterlichen Standes aus dem Heere, das Landgraf Ludwig der Milde von Thüringen, dem großen, schwerfällig zu Land einherziehenden Pilgerheer seines Oheims, des Kaisers Friedrich Rotbart, vorauseilend, von Brundusium über Meer vor Ptolemais geführt hatte. Bei dem letzten großen Mauerstrum verwundet, waren sie zu Pflege und Heilung aus dem Lager nach des Karmelwohlbefestigter luftfrischer Einsamkeit verbracht wurden. Ein jeder trug sein Denkzeichen von sarazenischem Gewaffen oder Brandgeschoß griechischen Feuers am Körper. Trotz ungeheuerer Anstrengung war jener Sturm am Sonnabend nach dem Feste Christi Himmelfahrt ein siegloser geblieben.
Unter den thüringischen, rheinländischen und flanderischen Heeren war ein ihnen unbekannter junger Kriegsmann, der auf dem ganzen Kreuzzug seither als ein stummer Pilgrim mitgezogen. Erst als sein Fuß die Umwallung des “verfluchten Turmes”, jener Hauptbefestigung von Ptolemais, stürmend betreten, hatte seine Zunge sich gelöst, und mit dem Schlachtruf: “Hilf, Sankt Georg und Grab des Herrn, hie Neuenhewen und sein Stern!” war er unter die mauerverteidigenden Kämpfer Saladins gesprungen und stand tapfer zudruckend um mit seinem Streitkolben Bahn hauend im Gewühl, bis er schließlich schwer gewundet in den Festungsgraben hinabgeworfen von den Seinigen weggetragen ward.
Die Lazarettlangweile zu kürzen, erzählen sich die invaliden Kämpfer ihre Geschichte und was ein jeder erlebt und erstrebt, bis er, das Kreuz seinem Waffenrock anheftend und den heißen Sand Syriens gegen der Heimat geliebten Boden eintauschend, als Soldat des heiligen Grabes über Meer gekommen.
Als die Reihe des Erzählens den jungen Kriegsmann traf, dem erst seit jenem Sturmtag sich von des Schweigens Gelübde zu entbinden gestattet war, berichtete er seinen ritterlichen Gefährten, wie folgt, des Juniperus Geschichte.
“So heb’ ich denn im Namen Gottes des Herrn an und erzähle euch, teuerwerte Genossen, alles, wie es ging und kam und mich von Donau und Rhein bis vor Akkons Wälle geführt... und wenn ich weit aushole und in strömendem Erguß der Rede euch beschwerlich falle, so wollet es einem zu gut’ halten, über dessen Lippen in zwei Jahren außer dem, was er unfreiwillig im Traume geredet, kein Sterbenswort kommen durfte. Und wenn ich euch, was zu berichten habe, nicht alles ein Wohlgefallen erregt, so wollet er der Jugend zugute halten, deren Angebinde heißes Blut ist und wenig Tugend.
Weit entfernt von euren Burgen und Städten, droben im glückseligen Schwaben ist meine Heimat, und als die Muhme Petrissa den Neugeborenen im geflochtenen Wiegenkorb wider das Licht hob und als untadeligen Sohn seines Vaters erfand, da sprach sie: ‘Du gutes festes Schwabenkind, es soll mich selber wundernehmen, wo überallhin durch die Welt dich deines Lebens Wege noch tragen und verschlagen werden.’ Und so jung ich annoch bin, so möcht’ ich schier vermeiden, jenes Wort wolle sich erfüllen, denn vom Neuenhewen im Hegau bis auf den Karmel im mediterranischen Meer ist ein weiter Weg und wohl noch nicht mein letzter.
Zwischen Bodensee, Rhein und Schwarzwald hebt auch manch stolzer Berg sein Haupt, und wenn ich Flügel trüge und wenn noch alles stünde daheim, wie es stand vor der Fastnacht Anno Domini elfhundertachtundachtzig, so wollt’ ich wohl am liebsten zur Stelle über das blaue Meer zurück und heimfliegen und nach meinem guten Hewenberg schauen, denn es muß etwas der schwäbischen Luft zugemischt sein, was uns hinaustreibt weit in alle Welt, aber auch ein zweites, was wieder heimwärts zieht mit starken Haken der Sehnsucht. Was an mir zieht zu den Höhen, die meine Wiege trugen, das ist die Pracht Gottes, die dort alltäglich vor den Fenstern sich auftut... die Pracht Gottes in Land und See und Strömen und Alpengebirgen der Ferne...
Darf zwar hier oben mit vollen Zügen des Karmel balsamische Luft trinken und aus einem Schwall von Blüten, die unsere Tannwälder nicht kennen, hinabschauen wie aus einem Gewürzgarten auf Meer und Land,
marevelivolumterrasqueiacentes,
wie wir es in der Schule lasen. Aber käme ich auch auf jenen anderen Berg zu stehen, von dem einst der Versucher dem Heiland alle Herrlichkeiten dieser Welt gewiesen, nimmer würde ich vergessen, wie es auf meiner guten neuen Hewen bestellt ist. Hei, daß ich euch weisen könnte, was dort in meine Jugend herein geglänzt: die grünen Wälder von Engen, einst des austrasischen Reiches wohlumwallter Grenzstadt... die steil aufgeschossenen Felsgipfel des Hegau in einsamer Schöne... den blau im Widerschein blauen Himmels mit gedoppelter Buchtung zu uns sich herbiegenden Bodensee... die fernen riesigen, wie ein Hauch im Abendrot verschwindenden Schneeberge! In krummem Flußlauf windet sich die kaum entsprungend Donau durch ein Ried und strebt dem Städtlein Geysingen vorüber... so einer von dort eine kleine Weile gen Sonnenaufgang reitet, steht er auf schwarzem Basaltstein vor meines Vaters Behausung und mag all die Pracht erschauen, von der meine Zunge jetzt, da sie wieder reden darf, in voller Erinnerung überströmt.
Die gute neue Hewen aber ist nur ein Burgstall; ihr und der Stadt Engen gebieten die edeln Freiherrn auf dem Hohenhewen, der als der nächste in der Reihe der Hegauberge mit sanfter Schwingung seine waldigen Gipfel erhebt. Aus fernem Hessenland kam das Hewengeschlecht einst herübergewandert in das Revier der Hegauer Kegelberge und hat von dort sein Wappen mitgebracht, den silbernen Stern im schwarzen Feld, den sie auch all ihren Dienstleuten zu Schildzieher verliehen, das sein Zeichen glückverheißend aufgepflanzt werde über dem Tor ihrer festen Berghäuser.
Darum soll keiner mich schmähen, daß ich zu Unrecht mich fremden Wappenschildes angemaßt, als ihr mir gestattet habt, in euren Reihen den Stern meiner Heimat auf Akkons Wällen dem Sarazenen zu weisen.
Selten steigt ein Hewen von seinem Berggipfel hernieder, Lehen zu suchen... sitzen in semperfreiher Stille daheim, wie der alte Krenkinger Freiherr im unweiten Thiengen, der selber, als der Kaiser Rotbart durchritt, nicht aufstand vom Armstuhl, darin er vor seinem Hoftor saß, und nur grüßend sein Käpplein lupfte, sprechend: ‘Mehr bin ich nicht schuldig.’
In der Eckstube des Burgstalls Neuenhewen, den man auch das Stetterner Schlößlein nennt, bin ich geboren, der Sohn eines rittermäßigen Dienstmannes, der Gottfried heißt und wie viele seines Standes mit Stichen und Schlägen aus der Jugend in sein Alter kommen und Speerkrachens viel vernommen. Nach dessen Namen tauften sie auch mich Gottfried. Die Mutter aber, ein feinfühlig Weib, der Gott ihre Treue lohnen möge, ist früh weggestorben... und so weit die Welt vor den Fenstern der Burg ausgebreitet lag, so eng war sie in den innern Räumen, die wir hälftig zu teilen hatten mit zwei anderen hewischen Dienstmännern, ihren Frauen und Kindern. Saßen darum nah beisammen in der einen Eckstube, aber nur wenn schlecht Wetter war; bei gutem kroch ich draußen herum auf den Felsen und stieg zum Wächter auf den großen viereckigen Turm und schaute den Sperbern nach, die darüber hinwegflogen, oder zerrte den Vater am Leibrock, wenn er zu Rosse stieg, daß er mich heraufgriff und vor sich in den Sattel sitzten hieß, und blieb ein frischer Bub, der seiner Muhme Petrissa, die jahraus, jahrein am schnurrenden Spinnrad im Eckfenster saß und allen das Linnen zum Gewand spann, viel Sorge schuf.
Wie ich so ein acht Jahre geworden, hielten sie Rat, was aus mir werden solle; da sprach die Muhme: ‘Ist ein Knab’, in dem steckt etwas. Des mag eine Ursache sein, daß seine Mutter, da er ungeboren unter ihrem Herzen ruhte und der Vater in den Krieg geritten war, so oft hinüberging zu ihrer Schwester auf der Burg zu Aach und lange Stunden am tiefblauen Quell saß, der dort mit Flussesgewalt aufsprudelt aus den Tiefen des Erdreichs, und daß ihr nichts lieber war, denn unter dem Schatten der Linden in die rinnende Flut zu schauen und mit sehendem Weh des abwesenden Eheherrn zu denken.
Wer weiß, was Art Geister dort schalten: sie sagen, es sei ein Stück Donau ins Erdreich verschlupft und ströme plötzlich wieder zutage... in das Gottfriedlein ist etwas Elfisches hineingekommen, daß es anderes geraten ist denn andere.
Auch hat dazumal das Gestirn Jupiter regiert, das schafft, daß seine Kinder sanft und der Weisheit vergangener Tage zugetan sind und fromme Leute und guten Rat und Gerechtigkeit lieb haben, aber viel Neigung zur Stille und verborgenem Sinnen. Vom Quellhauch der Aach aber ist ein Zug zu allem, was rinnt und strömt und braust, ihm eingeprägt, der wird ihm kaum geruhig auf dem heimatlichen Berggipfel dulden. Werdet finden, daß er für unterirdisch Fließen der Quellen einen verborgenen Sinn hat, und wenn ihr durch die Felder mit ihm geht, wird’s an ihm zucken, wo in der Tiefe ein Sprudel sprudelt und oben ein Brunnen zu graben ist. Und wie es Schicksal der Regentropfen, die unseren Neuenhewen Dachtraufe, wenn sie südwärts abfießen, zum Rhein, wenn nordwärts, zu Donau entsendet, so wird auch er in die weite Welt hinaus rinnen und schwimmen müssen, vom Fels zum Strom, vom Strom zum Meer, und Gott weiß, wann er die Heimat wieder sieht.
Ein anderweit befremdlich Zeichen aber ist des Buben absondere Freude am Strauch Wacholder, zu dem er eine Neigung spürt wie ein Birkhuhn oder ein Krammetsvogel. Warum hat er allseits zu schaffen in des Wächters Garden? Weil droben aus den Gesteines Ritzen eine große Wacholder aufgewachsen ist und ihr stachlich Geäst heraufstreckt zum Fenster! Muß immer was herumzuknistern haben, Zweiglein auf die Kappe stecken, Beeren im Munde führen, Wurzeln im Sack nachschleppen.
Wo all dies hinauszielt, weiß die alte Petrissa nicht... aber ein strenger Kriegsmann wie sein Vater wird er kaum, sonst wäre er geboren im Zeichen des Planeten Mars und trüg' einen Sinn für Feuer und Eisen und Erz im Erdboden statt für Wasser, und Neigung zu Roß und Gewild, statt zu Strauchwerk. Und dennoch deutet im Wacholder Späne und Stiche mancherlei.’
Dieser Rede hab’ ich zugehöret und sie wohl im Gedächtnis behalten. Mein Vater aber lachte, und sprach: ‘Gib dich zufrieden, du Burgfabuliererin; so etwas in ihm steckt, wird’s auch zutage kommen. Und, so Gott in Ungnaden es gefügt hat, am Ende gar ein Scholastikus. Brüder hat er genug, die ein Streitroß tummeln; wollen’s versuchen und ihn in eine Klosterschule eintun.’
Wenige Tage darauf stund das große Ritterpferd gesattelt und die Muhme hatte mir ein Bündelein zurecht gerichtet und schöne Schreibtafeln und hängte mir einen wohlgeschnitzten Griffelfisch an den Gürtel, und mein Vater hieß mich wie sonst vor sich in den Sattel sitzen und ritt mit mir in das Kloster zu Rheinau am Rhein und übergab mich dem Abt Heinrich, der ihm wohl befreundet war. Die Klosterbrüder zogen mir ein langes Gewand an, schoren meine Locken und wiesen mich zu den anderen, die dort zu Schule und Unterweisung in den freien Künsten eingetan waren.
Und so war mir’s ergangen wie den Wassertropfen, die von unserem Burgdach südwärts abfließen... war von Neuenhewen mitten in den Rhein gekommen, wußte nicht warum. Dort auf der stillen flutumrauschten Insel im krummen Umschweif des jungen Stromes, wo des heiligen Fintan aus Irland Gebeine ruhen, hab’ ich gute Tage und Jahre in Fleiß verlebt... und mich gehalten wie ein guter Klosterschüler und die lateinischen Buchstaben lesen und schreiben gelernt und kein anderer Ziel gehabt, als mit den Jahren selber ein frommer Bruder zu werden, der am Steinsarg des irländischen Heiligen im Chor der großen Kirche seine Psalmen singt, im Scriptorium die alten Schriften abschreibt und an des Abtes Tafel mit benedicite und laudatedominum den herzstärkenden goldgelben Korbwein trinken darf.
Die Sprache der Lateiner aber ging mit voller Gewalt in meine Seele auf; oft wandelte sich mein Denken aus der Muttersprache in ein lateinisches, und wenn bei sonntäglichem Hochamt die Orgel ihren Vollton durch des Münster Gewölbe brausen ließ, so klang es in mir wieder von Hymnen und frommen Chören der Altväter, als müßt’ ich das Rauchfaß schwingen und in des Weihrauchs weiß emporwallendes Gewölk lateinische Lobpsalmen hauchen zu Ehren des Herrn Himmels und der Erde.
Unser Lehrer Tannastus tummelte sich im Wissen der Alten nicht so festgesattelt, daß allzuviel von ihm zu lehren stand. Oft hub er den Zeigefinger und sprach: ‘Pax Dei, Gottfried, mein Sohn, laß dir Zeit. Brauchst heute nicht mehr auf die Spitze der Eloquenz und des Parnassus emporzuklimmen, morgen ist auch noch ein Tag, sprach Cicero, da er nach dem Mittagessen schlafen ging.’
Aber ich ließ ungern ab, und als wir, in die Klasse der Poesie vorgerückt, angeben sollten, wen sich einer jeder zu nacheiferwertem Vorbild erwählte, gab ich an: ‘Ich möchte werden wie des Grafen von Veringen teuerwerter Sohn Hermann der Lahme, der vor hundert Jahren als Stern der Wissenschaft in der Reichenau erglänzt, und wollte es willig hinnehmen, mangelhaft auf den Füßen zu stehen, wenn ich wie er die hehren Hymnen “Salve Regina” und “Alma redemptorismater” angefertigt und erlebt hätte, daß die Kirchen der Christenheit von ihren Klängen erschallten. Um gleich ihm möcht’ ich ein Präfekt der Schule werden und alte und neue Geschichten in ein Chronikbuch verzeichnen und Musikinstrumente ersinnen und denen, die im Herren starben, schöne Disticha zu Grabschrift machen, wie jener seiner Mutter Chiltrudis.’
Da sprach Tannastus der Lehrer: ‘Pax Dei, Gottfried, mein Sohn, dein Eifer ist gut. Und deinem Vorbild immer näher zu kommen, sollst du statt meiner die Handschrift von des ehrwürdigen Beda Unterricht in der metrischen Kunst, die wir von den Reichenauern leihweise erhielten, abschreiben.’
Und in den Stunden, da er im Scriptorium arbeiten sollte, setzte er mich an seinen Schreibtisch und ging dafür Weinprobe zu halten mit dem Cellerarius. Dieweil jener in außergesetzlicher Zeit die Auslese des am gewundenen Hügelufer des Rheins prangenden Rebgartens, der Korb genannt, trank, schlürfte ich statt seiner noch edleren Korbwein aus des Angelsachsen Kommentaren... und zu tief hat sich alles mir eingeprägt, daß ich heute noch vermöchte, seitenweise aufzusagen, was auf jenen Pergamenten geschrieben steht von sapphischem Metrum und jambisch hexametrischem und jambisch terrametrischem, von Schema und Tropus Rhythmus und Modulation.
“Habt auch redlich Vortrag darüber gehalten, dieweil das Wundfieber Eure Zunge zum Phantasieren zwang”, sprach einer der gern zuhörenden Waffengefährten.
“So kam es,” fuhr der Jünglich fort, “daß all meine Lerngesellen mich den Lateiner hießen, und weil ich, wie meine Muhme schon früher erwittert, in seltsamer Neigung zum Strauch Wacholder mit einem Zweiglein desselben im Gürtel vor ihnen erschien oder Speise und Trank mit den schwarzen Beeren versetzte, gaben sie mir den Übernamen Juniperus, der ist mir durch alle Jahre hindurch verblieben, daß bald keiner in der Abtei anders wußte, als ich sei Juniperus getauft, wiewohl sie solchen Heiligen vergeblich im Kalender gesucht hätten.
In selbiger Zeit gewann ich einen Freund, der war wie ich Schüler im Kloster und schlief in der selben Kammer, ein treues stilles Menschenkind und bald mir unzertrennlich; hieß Diethelm von Blumenegg.
Im wilden Wutachtal stand der Burgstall, darauf die Seinen als Dienstmannen der Zäringischen Herzoge saßen. Oft fügte es sich in fröhlicher Vakanzzeit, wenn wir als flügge Nestvögel die Lernsäle verlassen und Heimschwärmen durften, das ich mit ihm hinüberging zur Burg seiner Väter... heia, wie waren wir wohlgemut, in seinem felsengen Heimattal auf und nieder zu klettern, bei den Meiern auf den Herrschaftshöfen anzusprechen und Forellen zu fangen im klaren Wildwasser.
Gedenke ich aber des Tales der Wutach, so klingt es wie ein lateinisch Lied in mir zu Ehren des Wunderbaues, den Gott der Herr in seiner Felsenschroffe dort aufgerichtet... Gegenüber dem einsamen Steinklotz, der die gute Blumenegg trägt, streckt sich eine rießige steilnackte Wand von Kalkgestein, die bricht senkrecht wie mit einem Eckpfeiler ab und öffnet dem Auge den Fernblick durch das waldige Tal vorwärts zum Rhein und hinüber zum helvetischen Alpenschnee... ihr zu Füßen zieht wuchernder Laubwald, pfadloses Dickicht, trümmerbesäetes Ufer, Marmorgefelse im Wildwasser. Wenn wir dort hinabklettern, dem Flußlauf entgegen, so bog sich milder und freundlicher das Tal und wir gehorsamten dem weisen Schulspruch im ‘Regimen Witae’:
‘ Manepetasmontes, medionemus, vespere fontes! ’
(‘ Morgens sollst du das Gebirge aufsuchen, mittags den Wald, abends die Quellen! ’)
Und kamen über schwankende Brückensteg zur alten Linde von Achdorf, allzeit Halt und Wahrzeichen unserer Wanderung. Dort hielt ein wackerer Vogt das Zeichen des Wirtes ausgestreckt an seinem Steinhaus; der hatte eine Tochter mit krausem Haar und lieblichen Lächeln und fand sich bei ihm allzeit ein frischer Labetrunk Weines, fröhliche Gesichter, Reigentanz und bäuerlicher Hoppaldeia um die Linde. Dort haben wir, wie es fünfzehnjährigen Jünglingen ziemt, oftmals, wenn die Angelruten abgestellt waren und der Weinkrug aufgestellt, geschwärmt von ewigen Banden der Freundschaft und Taten der Zukunft und minnigen Augen der Frauen, und als ich einst krank daheim auf dem Schragen liegen mußte, hab' ich meinem Freund einen lateinischen Erinnerungssang gefertigt und hinübergeschickt; der fand viel Beifall und lautete also:
Laeticiasilvestris.
Silvaenigraecordetoto
Qui devinctus sum, aegroto
Distans in exilio:
Quondamfalcoperbeatus,
Jamdeterimemutatus
Tristisvespertilio.
Ubistas, vetussodalis,
Cuiusvulusamicalis
Hilarabatoculum?
Scisnequotieslaetabundi
Visebamusfinemmundi
Blumnegg, florumangulum?
Cominus saltus proclives
Eminusalpinasnives
Sol illustratoccidens;
Subtusarva per fecunda
Susurrantiruitunda
Wutach, aquafuriens.
Tuncperrupesprominentes
Et convalliadescendentes
Scisne, quo tetendimus?
Septushortis et pometis
Portus danuitquietis
Achdorf, pagus rusticus.
Odulcissimamtabernam,
Orosaceumpincernam,
Rusticasdelicias!
Vinumtilia sub frondosa
Hauritfiliagraciosa
Marigutta - Springmitdemglas!
( Aus des Schreibsaals dumpfen Gähnen
Fliegt zum Schwarzwald all mein Sehnen
Und das Herz strebt stark hinaus...
Dort ein Falk in reinen Lüften,
Gleich ich hier der scheu in Klüften
eingeknaulten Fledermaus.
Denkst du noch, o Lerngefährte,
Wie mit freundlicher Gebärde
Du dich oft dem Freund gesellt?
Wie wir froh gefischt, geschwommen
Und dein Heimathaus erklommen,
Blumenegg, das End’ der Welt?
Um die Burg, um Schlucht und Wipfel
Und schneeferner Alpen Gipfel
Floß der Sonne letzter Strahl:
Unten tief durch Trümmerschatten
Und durch tauig feuchte Matten
Sprang die Wutach wild zu Tal.
Wenn wir dann durch Kluft und Schrunden
Kletternd uns bergab gewunden,
Denkst du noch des Abends Rest?
Wohl umpflanzt von Hag und Bäumen
Zeigt mit ländlich schlichten Räumen
Achdorf sich als Ausruhnest.
Süß winkt dort Getränk zum Nippen
Und ein Schenk mit Rosenlippen
Lacht zu Scherz und Schülerspaß;
Aus der dichtverzweigten Linde
Rufen wir dem schmucksten Kinde:
Marigutta - Springmitdemglas!)
... Die Muhme Petrissa, die damals mit Spinnrad und Kunkel aus ihrem Eckfenster herüber gesiedelt war an meine Lagerstatt, sprach kopfschüttelnd, da ich’s auf langem Pergamentstreifen geschrieben: ‘O weh uns, ist das der verborgene Schatz, den ihm die Wasserelfen verheißen? Mit lateinischem Bacchantenlied wird kein Platz unter den Heiligen Gottes und keiner unter des Kaisers Ritterschaft gewonnen; von bösem Elementargeist rührt, was in dir steckt.’ Und sie schickte, ohne das ich’s erfuhr, ein frisch geschossenen Reh in den Pfarrhof zu Geysingen, daß gebetet werde für Änderung meines Sinnes.
Die Marigutta Springmitdemglas, aber mit ihrem krispen Haar hat mir es nicht angetan, und der kühle Lindenschatten von Achdorf auch nicht... von einem anderen stolzeren Krauskopf blitzenden Augs kam Leides viel über mich und über den Diethelm.
Oftmals wenn wir in der Vakanz, die Armbrust umgehangen, durch die Baar streiften, Federwild zu erjagen, kehrten wir beim alten Markwart von Almishofen an, dessen fester Ritterhof aus der Tiefe des Donaurieds die breiten Giebels reckte, ein freier Herrensitz, vor dessen Tor das vierfach geteilte Wappenschild mit der Almishofer Blume im Feld rechts grüßend herab winkte. War ein fadengerader rauher alter Herr, von dem die Leute scherzweise sagten, es steckte ein Scheit Tannenholz in seinem Rücken, wenn er im Sattel sitze, aber viel Löbliches von ritterlicher Art und Pflicht stund von ihm zu erfahren, und hatte einen reich besetzten Harnischsaal, die zahlreichen Männer des Geschlechts, das in ihm den Senior ehrte, zu waffnen, denn der Almishofer waren viele, weit herum seßhaft in der Baar, in Hüfingen und an der Wutach und drüben zu Ymmendingen, wo allzeit ein Jüngerer des Stamms als Kirchherr seiner Pfründe genoß.
Uns aber zog es meistenteils bald aus Stube und Waffensaal hinaus in den großen Baumgarten, wo wir des Alten drei Töchter trafen. Und wenn das Jagdglück ein Wildentenpaar beschert oder einen guten Trappen, brachten wir jenen die Beute, waren in guter Kurzweil im ihnen zusammen und spielten das Kinderspiel: ‘Weih, Weih, was klopfest du?’ Da mußte der Diethelm als Weih mit heiserem Raubvogelgeschrei uns umschwirren, die drei Edelfräulein duckten sich wie die Küchlein ängstlich zusammen oder flohen im wilden Rennlauf und ich mußte zu ihrer Verteidigung den Feind kampflich bestehen.
Die erste der Töchter hieß Liutgard, zu der sagten wir kurzweg Luggi; die zweite der Töchter hieß Yrmgard, zu der sagten wir kurzweg Yrmi; die dritte hieß Rothraut, der gaben wir keinen Beinamen.
Die Rothraut war nicht wie ihre Schwestern: jene schlank, hochgewachsen in ihres Vaters Art, gutmütig, scheu und sittig... sie minder groß, minder schön, fesselnd durch unergründbar Spiel der Seele im großen dunkeln Auge... ungleich im Wesen, oft ausgelassen wild, dann wieder verschlossen und verträumt und niemanden anschauend als die Fischlein im Becken des Donauquells... zumeist einher wandelnd wie eine Katze, die sich ihrer samtweichen Sauberkeit freut und stets bereit hält, mit scharfem Sprung den harmlos sie umhüpfenden Vogel zu erkrallen... so ging mit unnachahmbarem und keckem Wurf des Hauptes durch die Leute, mit niemanden Freund, selten um ein spitzig Wort verlegen und dennoch vielen wohlgefallend. Wenn ihre Vettern geritten kamen, der Bikk von Almishofen von der Neuenburg am Gauchenbach, der Hug von Almishofen, dessen Haus zu Opferdingen stand, und Symphorion, der Kirchherr von Ymmendingen, den sie Symphorion, den Dusler nannten, so drängten sich alle um die Rothraut, mit ihr zu reden und zu spielen, und die Schwestern gingen leer aus.
Wenn die sich am Spinnrocken und mit Arbeiten der Frauen die Zeit kürzten, huschte die Rothraut bei ihres Vaters Falkenmeister herum und ließ sich unterweisen, wie der Stoßvogel auf der Hand zu tragen, wie ihm die Kappe abzunehmen und wie er mit sicherem Wurf in die Luft zu schwingen... oder sie streichelte das Schimmelfüllen, das im Baumgarten weiden durfte und sprach: ‘Bis das groß geworden, bin auch ich groß und hab’ ein Jagdkleid mit braunen Scharlach und einen Sattel mit klingenden Schellen, dann muß mir der Vater das weiße Roß schenken und ich reite mit euch ins Ried und reite durch Strauchwerk und Gräben und Sumpfesgefahr auf die Reiherbeize, hussa ihr Klosterlateiner, seht zu dann, wie ihr mir folget!’
So hielten wir etliche Sommer lang Vakanzeinkehr im Almishofer Ritterhaus, bis die Rothraut so groß emporgewachsen wie wir selber. Dann ward unser Kinderspiel: ‘Weih, Weih, was klopfest du?’ fürder nicht mehr gespielt, denn als Einsmals der Diethelm wieder den Weihenruf anstimmte, riß die Rothraut eine Stange aus dem Boden und ging selber auf ihn los, statt sich zu ducken wie ein Küchlein, und setzte ihm tapfer zu mit Hieb und Stich, daß er fliehen mußte und ihr Kranz von Herbstastern, den sie um das Haupt geschlungen trug, in des Kampfes Hitze aufgelöst und zerzaust zu Boden fiel.
Wie ich mit dem Diethelm wieder eingeheimst saß im Rheinauer Klosterschulsaal, ward es ein schlimmer Lernwinter uns beiden. Nur lässig stunden meine Gedanken zu dem erwählten Tugendvorbild Hermann des Lahmen: ich vermeinte, es sei frischer und mannerwerter, ein Roß zu tummeln und mit Speerbrechen und Schildzerhauen um Minnepreis zu werben... der lateinische Hymnenton, der sonst oft mit Stromesrauschen durch die Seele scholl, verstummte; minder ernste Reimklänge fuhren mit irrlichtelndem Aufzucken um mich auf und nieder:
‘ crineseiusadamavi
quoniamfuereflavi ’
oder
‘ Osagissima virago,
eccePalladis imago
dixi te conspiciens.. ’
(‘ Ihre Haare mußt’ ich lieben,
Denn blondgolden waren sie. ’)
oder
(‘ Jungfrau, klug und zauberhaftig,
Pallas Ebenbild leibhaftig
Schaut ich, als ich dich erblickt. ’)
so daß Tannastus, unser Lehrer, kopfschüttelnd sprach: ‘Pax Dei, Gottfried, mein Sohn, du gefällst mir nur noch halb.’ Zu meinem Stubengenossen aber sprach er: ‘Diethelm, Galea Populorum (Scherzhafte lateinische Übersetzung des Namens Diethelms: diet (althochdeutsch)= Volk, galea= Helm), du gefällst mir gar nicht mehr.’
Er mochte recht haben. Mein großer fröhlicher Herzbruder ward täglich stiller und schweigsamer und floh seine Gesellen... es war zur Fehde kommen zwischen ihm und der Freude. Oberhalb des Felix Regula Kirchlein beim Badeplatz auf grünem Damm stund ein alter Weidenstamm morsch und hohl, die Höhlung dem Talweg den Rheines zugekehrt. Dort störten wir ihn oftmals auf, daß er sich eingenistet hatte und vom hohlen Baum umschildet hinab starrte in die kräftig strömenden Rheinesquellen, wie ein in Sorgen Schwebender, und den Ruf des Glöckleins überhörte, das zur Lernstunde mahnte oder zur Vespermahlzeit.
Keinem verriet er, was ihn drückte. Da viel nächstens einmal der Mondenschein voll in unsere Stube und brach mir den Schlummer. Die Augen öffnend seh’ ich den Diethelm auf seinem Lager aufgerichtet knien; um die Brust trug er allzeit eine große silberne Kapsel, seiner Mutter Geschenk, eine Heiligenreliquie dreingefaßt... wie er die Kapsel eröffnete, ersah ich, daß er eine welke Herbstaster dreingelegt hatte, und er küßte sie und netzte sie mit rinnenden Tränen. Leise stand ich auf, schritt zu ihm hinüber, schlang den Arm um ihn und sprach: ‘Diethelm, Trautgesell, was weinest du?’ Er aber stieß mich unsanft zurück und rief drohend: ‘Was kümmert’ s dich, Juniperus, apage, geh’ schlafen!’
Nachdem er aber wegen Einschneidens eines großen R-Buchstabens in die Holzecke eines Psalterbuches eine Strafe mit Ausschließung vom gemeinsamen Tisch, Wasser und Brotkost erduldet, wachte ich Nächten wieder und sah ihn halbangekleidet von seinem Lager weggehen, das Fenster aufreißen und sich hinausschwingen. ‘Wohin, Diethelm?’ rief ich betroffen. ‘Fort, Juniperus, auf Nimmerwiederkunft’, gab er zur Antwort und saß schon im Geäst der Ulme, die vom Rhein zu unserem Fenster emporragte, und ließ sich hinab gleiten, sprang in das Wasser und schwamm wohlgemut über an das rechte Ufer.
Des war ich sehr betrübt, und es summte mir an jenem Tage lange eine lateinische Reimfügung durch den Kopf, die endigte:
‘ non est undatamprofunda,
visamorisfuribunda
nosimmergitfluvio. ’
(‘ Stärker als der Wogen Strandung
Reißt der Minne wilde Brandung
Uns in Strom und Strudel fort. ’)
Dachte dabei nicht, daß bald auch an mich die Reihe kommen sollte, gleiches zu erproben.
Aber von sehnendem Weh befreit nicht Heilkraut noch Gebet. Und in all mein Denken stellte sich der Rothraut wohlgetane Gestalt, ihr Mund rosig rot, ihr Haar goldblond und lauter, ihrer Hände Paar fein und weiß blank.
Und vier Wochen darauf trug derselben Ulme Geäst mich selber aus dem heimlich geöffneten Fenster hinab zum Rhein, und ich sprang in das Wasser und schwamm hinüber auf das rechte Ufer, desselben Pfades, den mein Diethelm geschwommen.
‘ Valeas, magister care,
Rhenumcogorpernatare,
Coenobitasdesero ’
(‘ Teurer Lehrer, Gott befohlen!
Durch den Rhein schwimm’ ich verstohlen
Und verlaß’ euch Klosterherrn. ’)
rief ich aus den Fluten, da ich von des guten Tannastus wohlbekannter Zelle sein Lichtlein durch die Sommernacht schimmern sah.
Wie ich, in die nassen Kleider eingeschlüpft, durch die Waldstille am Schwabenegg dahin schlich und das Turmpaar der Abtei fern und ferner zurückwich, da konnt’ ich freilich die Tränen nicht bannen und dachte: ‘Du gute, gute Rheinau, darin ich so viel gelernt und so viel an mir empor gebessert, wenn sich’ s tun ließe und kein Frevel wäre, daß ich jenes andere R, das mich hinüber gezuckt wie der Magnet den Eisenspan, herbeiholte und mit ihm einziehen und leben dürfte in den Mauern, nimmermehr wollt’ ich dich verlassen haben!...’
Auf der Neuen Hewen hub sich wieder ein böses Kopfschütteln an, da ich heimgelaufen kam. ‘Heilige Kümmernis!’ rief die Muhme Petrissa, ‘da haben wir’ s!’ Der Vater brummte eine Weile, dann sprach er: ‘Die Schulbank hat noch achtzehnjährige rotbackige Kraft in dir gelassen, daß du in ritterlichen Handwerk einüben magst.’ Da hub ich an, in Stall und Waffenkammer mich umzutun, kam tagelang nicht aus dem Sattel, ritt, daß die Heerstraßen stäubten, jagte, daß die Hunde zurückblieben, tummelte mich in allem, was einem Garzun ( Knappen (franz. garcon) zu lernen geziemt, und die lateinischen Buchstaben und Reimverse schufen mir für der nicht viel Sorgen. Unser Herr zu Hewen aber sagte willig zu, mich als Schildknappen mitzunehmen, wenn er die nächste Heerfahrt tue.
Jungfräulein Rothraut war damals oft bei ihres Vaters Schwester auf der Burg zu Laufen über dem Rheinfall. Zu ihr ritt ich eines Tages herüber, bracht’ ihr ein weißes Pärlein aus meiner Muhme Taubenschlag und stand mit ihr auf dem Söller hoch über der wellenumschäumten Klippentiefe des durchfurchten Rheinbettes und deutete Rheinauwärts und sagte: ‘Rothraut, ich bin kein Klosterlateiner mehr, bin ein Rittersknab’ und reit’ in Eisengewand und reite auf die nächste Heerfahrt mit unserem Herrn, den Rittergürtel zu erstreiten und ein trauliches Heim, darin Mann und Weib Platz finden...’
Da fiel sie mir lächelnd in das Wort: ‘Gestern ist der Diethelm bei uns eingekehrt, der hat mir das gleiche gesagt.’
Und wie ich einen schwermütigen Blick auf sie richtete und sagte: ‘Und all das tue ich um eine, deren Name hebt mit dem Buchstaben R an, und möcht’ wissen, ob sie es gut heißt, das ich mich in ihren Dienste nicht sparen und ihr zu Lohne fahren will, wohin sie mir gebietet, mag’ s auch nach Babylonien sein...’ Da lachte sie wieder und sprach: ‘Auch das hat der Diethelm zu mir gesagt; besinne dich auf was Neues, Juniperus, und schau’ dir einstweilen Berg und Tal an!’
Es gefiel ihr, die Landschaft durch ein Stück roten Glases zu betrachten, das aus dem Mantel des heiligen Christopherus im wohlbemalten Chorfenster des Burgkirchleins herausgebrochen war. ‘Gelt’, sprach sie, ‘das schaut anders drein?’
Mir grauste, wie ich durch das rote Glas gesehen, und ich sagte: ‘Was dem einfachen Auge mild und freundlich erscheint, das wird unter deinem Glas, o Rothraut, wild und unheimlich: fahl rötlich schäumt mir der Rheinfall, im Feuerglanz die sonst weiß glänzenden sonnebeschienenen Häuser des anderen Ufers, und die grauen Wolken flammen und glasten, als wenn unterirdisch Feuer, empor dringend aus den Tiefen der Erde, durch Fels und Berg und Wiesengeländ’ durchschimmerte und am entgegengesetzten Himmel seinen infernalen Schein widerspiegelte...’
‘Eben darum ist’ s schön!’ sprach sie mit kaltem Lächeln... ‘und so wird’ s aussehen am Vorabend des Tages, da die Posaunen strafender Engel erklingen und das Jüngste Gericht herauf bricht über alternde Erde und Menschheit.’
‘Frevle nicht, Rothraut, werde milder!’ sagte ich... aber sie warf ihr Haupt stolz zurück: ‘Gerade so sprach der Diethelm gestern; o ihr lateinischen Seelen!’ lachte sie und ließ mich stehen, huschte in den Hof und spielte mit ihren Hahnen, denen hatte sie Glöcklein von Erz um die Häls gebunden, und hetzte sie umher, daß der Schellen Tintinnieren und der Hahnen Gekräh seltsam durcheinander tönte.
Da ritt ich betrübt heim. Folgenden Tages sandte ich einen Knaben nach Blumenegg mit einem Zettel, darauf hatte ich in heimlicher Notenschrift, wie einst wir Klosterschüler sie in Übung hatten, geschrieben: ‘Diethelm, kannst du von dem Buchstab’ R lassen?’
‘Neinâ!’ war Diethelms Antwort.
Gleich darauf kommt ein Bote des Blumeneggers mit einem Zettel, darauf steht in gleicher Schrift: ‘Juniperus, kannst du von dem Buchstab’ R lassen?’
‘Neinâ, Diethelm!’ war meine Antwort.
Da brach harte Zeit für uns zwei beide an, die wir bis dahin gute Gesellen und Herzbrüder gewesen.
Nun begab es sich im Lenzmonat des elfhundertachtundachtziger Jahres, das mit großem Zulauf aus nah und fern in Almishofen die Fastnacht begannen ward. Gastlich hatte der alte Markwart sein Haus aufgetan, viele Edle und Rittersleute aus der umliegenden Bertholdsbaar und dem nahen Schwarzwald kamen zu Kurzweil und Mummenschanz geritten, denn dort in Schwaben wird um diese Zeit viel Fröhlichkeit geübt mit Schneckenessen, Umtrunk und Reigentanz, und wer vermummt Gassen und Häuser durchlaufen will, der steckt sich in das weiße, figurenbemalte schellenbehangene Gewand des Heini Narrô, legt die Holzlarve Scheme vor das Antlitz, zieht die mit Blumenkranz und Fuchsschwanz verziehrte Kapuze darüber und rennt hüpfenden Schrittes, hellauf ‘Narrô!’ rufend und Äpfel und Nüsse unter die Kinder auswerfend, durch die fröhliche Menge.
Auch die Muhme Petrissa hatte ihr Turmfenster verlassen und ritt mit mir und etlichen reisigen Knechten zum Fest. Anlangend trafen wir auf gleicher Heerstraße die Blumenegger; die kamen in großer Sippe, alle in weißem Narrenlinnen zu Rosse, ein seltsam stattlicher Zug. Alsbald hielten sie, schüttelten allzusamt die Riemen mit den Metallschellen, daß Fernhin die Fensterscheiben erklirrten... und einer der Vermummten, dessen Stimme ich wohl kannte, sang, wie es der Hansel Brauch und Recht, den Spottreim:
‘ Wo aus, wo ein, Wachholderbusch
Vom Turm zu Neuenhewen?
Gelt, bei der Almishofer Blum’
Wär’s lustiger zu leben? Narrô! ’
Da hub auch ich mich im Bügel und gab, wiewohl ich kein Mummkleid trug, dem Necker als Antwortreim:
‘ Wenn Blumen blühten auf Blumenegg,
Wie sie ein Herz begehrte,
Wüßt’ ich auch einen, der kurzweg
Im Trab nach Hause kehrte. Narrô! ’
So ritten wir zusammen in Herrn Markwarts Burgfrieden ein. Es war kein guter Anfang des Tages.
In der holzvertäfelten Halle hub sich groß Gedräng’ und Durcheinanderwogen. Als Wirt des Hauses schritt der alte Markwart durch die Reihen, seine weiße Zipfelkappe als Narrenhelm auf dem Haupte... bei ihm, wohlgetan in blühender Jugend, die drei Töchter. Und sie empfingen die Gäste nach höfischem Brauch, hießen sie mit schönem Verneigen willkomm’ und küßten von den Alten und Vornehmen, wen ihr Vater sie bat zu küssen.
Wie war die Rothraut stolz strahlend jenes Tages! In anschmiegend niederwallendem braunem Gewand, die fliegenden Zöpfe mit Goldfaden durchwoben, einen ehernen Reif um das Haupthaar geschlungen, glänzte sie neben den Schwestern. Aber, als ob des Schönen Vollklang ohne zugemischten Mißton nicht sein möge, statt eines Straußes erster Lenzblumen trug sie die blattlosen mattroten Blütenzweige des giftigen Zylandstrauches, der als unheimlicher Frühlingsverkünder dortlands unter dem Ersten erscheint, was nach verschwundener Schneedecke aufblüht.
Mein Blick begegnete dem Blick Diethelms, der seine Holzlarve abgenommen, die Maid zu begrüßen. Sie aber hatte wenig Auge und wenig Sinn für uns, und wie ich vor sie trat, als sei ich grüßenden Kusses gewärtig, hielt sie mir mit vornehmem Wink ihren Strauß an die Lippen und sprach: ‘Narrô!’ Ich aber sagte: ‘Rothraut’ das sind nicht die rechten Blumen, dich zu schmücken; schön sind sie, aber giftsüß und tückisch zugleich: will das Aug’ sich ihrer Pfirsichblütfarbe ergötzen und der Geruch sich ihres Hyazinthenduftes laben, so endet’ s mit einem wehen, kranken Haupt.’
Da lachte sie ihr bekanntes Lachen und sprach: ‘Was ich dir reiche, Juniperus, du sanfter Fisch ohne Gräten, das soll dir recht sein!’ und wendete mir den Rücken.
Und meine Sehnsucht nach ihr, trotz geringschätzenden Gebarens und giftrötlicher Zylandblüte, ward stark und stärker, und war mir zum Troste nur, daß sie auch dem Diethelm lachend mit dem Strauß durch das Antlitz fuhr.
Einem aber reichte sie gemessen und minnig den Kuß des Empfanges, das war in grünblau schillerndem Seidenrock, darauf das Wappenzeichen der drei roten Schilde im silbernen Feld kunstreich gewirkt, Reinald von Urselingen, der Sohn des tapferen Urselinger Konrad, den unter Kaiser Rotbart seiner Feldhauptmannstugend auf italischer Heerfahrt wegen mit der Herzogswürde von Spoleto beliehen.
War ein unschlanker, aber gutmütiger Gesell, der sich viel auf seine Kenntnis höfischer Sitten einbildete und sein großes Haupt schwer und unbehilflich trug. Sie hießen ihn darum und ob seines Wappenrockes Farbenschiller Reinald den Eisvogel.
Der Rothraut aber mochte alles, was sein Mund sprach, lieblich und höfisch dünken, denn sie lächelte ihm mit ihrem süßesten Lächeln zu und sprach, was sie sonst nur ungern tat, in Franzosensprache: ‘abienvenianz, gentil Rainald!’ (Zitat aus Gottfrieds von Straßburg höfischem Epos “Tristan und Isolde”, Vers 16191) und wiegte ihr Haupt auf dem schlanken Hals, als wolle sie ihm deuten, es sei wohlgeschaffen, dereinst zur Seite dem seinigen herzoglichen Kronreif zu tragen.
Wie sie einmal wieder an mir vorbeistreifte und in meiner Augen trübnisschwerem Blick lesen mochte, wie wenig ich davon erbaut, sprach sie leichthin: ‘Weißt du auch etwas von Spoleto, Juniperus? Von Spoleto im Land Italia, wo der Himmel blau und die Äpfel golden?’
‘Bin ein arm jung Blut, Rothraut,’ gab ich zur Antwort, ‘und habe noch keine Heerfahrt getan dorthinüber. In der Schule lernt man, daß der Weg nach Rom dort vorbeizieht, es stehen im Itinerarium zwei andere Orte in der Nähe verzeichnet, der eine heißt der Narr, der andere der Tod (Narni und Todi, zwei Bergstädte des ehemaligen Herzogtums Spoleto. “Vom Narren zum Tode” lautete der scherzhaft wegweisende Pilgerspruch der Romfahrer) und in Spoleto werden in Sommerszeit die Hunde wütend. Spoletaner aber gibt es, sind eigentlich in Urselingen drüben bei Rottweil daheim, wo man den Ostwind Heubergerluft und den Nordwind Kniebisluft heißt.’
Da schlug sie mir einen Schlag mit dem Daphnestrauß auf die Wangen und ließ mich abermals stehen.
Die Alten und Matronen nahmen bei dampfenden Schüsseln von Fleisch und Kraut Platz und schlürften die wohlgekochten Schnecken aus ihren Häuslein und sogen schnalzend des kriechenden Wildbrets Fettsaft, denn die Fastnacht wäre nicht rechtmäßig gefeiert, wenn dieser Leckerbissen fehlte, und meine Muhme Petrissa hätte keinen Fuß gerührt von ihrem Eckfenster herüber, wenn die Schneckenmahlzeit nicht lockend ihr vorgeschwebt.
Die Jungen sammelten sich auf den grünenden Anger des Baumgartens, und wiewohl die benachbarten Berge noch mit beschneiten Häuptern dreinschauten, war es ein sonnig milder Vorfrühlingstag.
Dort ordnete Reinald von Urselingen den Tanzreigen an und hub sich buntfarbig Gemisch von Vermummten und erlesenen höfischen Gewanden, wie sie Paare, mit zierlicher Verschlingung der Hände sich gleitend, in Kranichsschritten dahin schritten. Jener aber tat sich etwas zugut’ auf seine Führerkunst und hielt es für Amt und Dienstpflicht, als erfindungsreicher Vortänzer den Reigen nicht nur in den gewohnten Geleisen, sondern bei steigender Lust des Tollens auch über Tische und Bänke und anderweit zu führen.
Und weil am Ende des Baumgartens, von steinerner Umrandung sauber gefaßt, der große Almishofer Quell aussprudelt, der sein gesteinfrisches Wasser mit den andern Donauquellen vereinigt, fügte es Herr Rainald, daß die im Reigen paarweise Dahin wandelnden am Wasserbecken haltzumachen hatten. Flötenspieler, Sackpfeifer und Tamburer waren hinbestellt, die erhuben Getös und tönenden Festschall. Auf ihr Zeichen mußte, wer von den Tänzern vorüber kam, einen Sprung tun in die klar aus klarem Bodensand aufquillende Flut, und die Mundschenken eilten herzu und reichten einen gewaltigen Weinpokal, den mußte jener, bis zum Knie im Wasser stehend, leeren und zu Ruhm und Preis der Jungfrau, die mit ihm im Reigen schritt, einen Spruch sprechen. Dann hub sich wieder Musik; die Kehle vom Rheinwein, die Füße vom Donauwasser gefeuchtet, durfte der doppelt Genetzte in die Reihen zurückkehren; schallend Gelächter war sein Dank.
Anmutig zog sich Herr Rainald aus seiner Narreteiverpflichtung. Er führte in jenem Gang des Hauswirts Töchterlein, die Liutgard. Als zweites Paar folgte ich mit der Yrmi; der Blumenegger führte die Rothraut. Wie die Floitierer und Tamburer das Zeichen gaben, sprang der von Urselingen wacker hinab, griff den Becher, nickte vergnüglich mit dem großen Eisvogelhaupt und sprach: ‘Im Reifenglas den rheinischen Wein, den Donauquell zu Füßen, soll hier der Preiß getrunken sein, der Wonniglichen, Süßen. Der Becher leider klein ist, darin der gute Wein fließt, das Wasser quillt ohn’ Ende: wüßt’ ich’ s in Wein zu kehren, den ganzen Quell zu leeren, spräng’ ich hinein behende.’
Damit verdiente er denn vollen Beifall, und als er mit geleertem Pokal wassertriefend zurückschritt, hub sich Zuruf und Händeklatschen, und wer am meisten klatschte und ihm ein Zweiglein ihres Straußes zuwarf, war die Rothraut, so daß der Diethelm an ihrer Seite ungeduldig mit dem Fuß aufstampfte. Rainald der Eisvogel nahm dessen nicht wahr, unbemerkt von ihm entschwand der Zylandzweig in der Quellflut. Das hatte auch mir die Gedanken erregt und gewirrt... immer die Rothraut... überall die Rothraut... und alles, was süßleidenschaftlich die Gedanken dachten, in lateinischem Tonfall die Seele durchschütternd... Als die Reihe an mich kam, vergaß ich ganz, daß als Tanzgefährtin ihre Schwester, nicht sie, an meiner Seite schritt, und vergaß, daß lateinisch nicht deutsch ist, sprang in die Flut, hob den Zweig auf, den die Rothraut dem Rainald zugeworfen, steckte ihn an die Brust, griff den Pokal, da ihn der Mundschenk hinabreichte, und rief:
‘ O formosa set spinosa
Rotraud Almishovaerosa
Te salutanthospites! ’
(‘ Dornentragende, schöne, lose
Rothraut, Almishofensrose,
Alle Gäste grüßen dich. ’)
Ehe ich aber den Pokal an die Lippen setzen konnt’, war der Diethelm mit großem Sprung in den Quell gesprungen, hielt meinen Arm gepackt und sprach: ‘Wie magst du wagen, für die zu sprechen, die ich im Reigen führe, Yrmi heißt dein Tanzgespons und nicht Rothraut!’ Und er strebte mir den Pokal aus der Hand zu winden und rief: ‘Der Spruch soll gelten, aber Diethelm von Blumenegg ist’ s, der das Wohl der Almishofer Rose trinkt!’ Über die Brüstung schalt Herr Rainald zu mir herunter: ‘Ist das courtoys, des Tanzes Brauch und Ordnung brechen? Und ist das courtoys, mit Namen zu nennen, wen ritterlich man ehrt? Und ist das courtoys, im Minnesache Pfaffensprach? Oben am Quell stand gekränkt Yrmi, meine gute blauäugige, sanft sich anschmiegende Tänzerin... das Antlitz verfärbt vor Röte und darüber strömenden Tränen. Den Strauß von die Lippen haltend, kalt mit durchbohrendem Blick sprach die Rothraut zu ihr: ‘Ist ein Klosterlateiner, wird zeitlebens kein ritterlicher Minner...’ So stürmte es von allen Seiten wider mich los.
Der gröblichste von allen war des alten Markwart Vetter, der Bikk von Almishofen, der auf der Neuenburg an der Gaucha seinen Sitz hatte; der rief: ‘Holet Strick und Eisenkette, daß wir den pfafflichen Ritterknaben gefesselt in sein Kloster zurückschicken, dem er zu Unrecht entronnen... die lateinischen Schnäbel taugen nicht zu uns!’
So stund ich, ein Unseliger, im Quell und senkte das Aug’ auf den weißen Sand, den das klar aufsprudelnde Gewässer quirlend emporhob. Den Diethelm ließ ich den Pokal nicht gewinnen, drehte ihn um, daß der goldene Wein ungetrunken verströmen mußte in das Donauwasser, dann stieß ich den Angreifer zurück: ‘Wem nicht gefällt, was ich getan, sprech’ ich, dem will mein Schwert Antwort stehen! Hier aber sind minnige Frauen und gastliche Wirte... Vergebung, wenn es zu Unrecht war. An der Fastnacht ist jeder ein Narr in seiner Art, Narrô!’
Und ich winkte den Spielleuten, daß sie mit Musik einfielen, und stieg heraus, mich wieder zu meiner Reigengefährtin zu gesellen.
Da unterbrach eine fremde Erscheinung den Tumult.
Auf einem Esel sitzend war ein weißbärtiger Alter in den Baumgarten eingeritten, den hielten die anderen Gäste erstlich auch für einen Faschingsgast; entblößten Hauptes, den Leib in einen groben Sack gesteckt, welcher der Arme Bewegung kaum freiließ, lenkte er sein Tier; zur Seite schritten zwei Knaben, die trugen wie Kirchenfahnen gemalte Bilder an Stangen. Wie man aber näher zuschaute, war auf dem ersten Blick der Heiland gemalt, den geißelte und schlug ein Sarazen, so daß sein Antlitz blutrünstig war... und auf dem zweiten stund das heilige Grab zu Jerusalem zu sehen, das war von Saladins Reitern zerstampft, verunreinigt, zu einem Stall umgewandelt.
Der Alte auf dem Esel war der Bruder Berthold von Gnadental, der trüben in der Scharte des Längenberges hinter Neidingen sein Klausnerhäuslein hatte. ‘Wehe’, rief er, ‘Wehe! in Sack und Asche klage dich, o Christenheit! sehet euern Herrn und Heiland an, wie ihn Muhammed der Lügenprophet mißhandelt; sehet sein Grab, für das unsere Väter ihr Herzblut gaben, wie trauert es itzo geschändet! Vernehmet die Botschaft des Jammers und der Schmach!’ Der Bischof von Konstanz hatte ihm Briefe mitgegeben, von den Christen jenseits des Meeres in ihrer schweren Bedrängnis an den Papst und ihre abendländischen Brüder um rettenden Beistand geschrieben... itzt wollte er den Trauerbericht vorlesen über der Tempelherrn Untergang vor Tiberias, über des heiligen Kreuzstammes Verlust, über des Königs von Jerusalem und seiner Ritter Gefangenschaft und all den unsäglichen Jammer, der dem Papst Urbanus das Herz gebrochen.
Aber das tanzreigenlustige Völklein war nicht gewillt, von Kreuzfahrt und Sarazenenlärm sein Fest stören zu lassen, und der Gnadentaler Einsiedel, dem die großen Jagden so manches gute Stück Wildbret auf den Herd seiner Klause jagten, war allen zu wohl bekannt, als daß er Ehrfurcht erregte.
In anderer Zeit als Fastnacht hätten sie geweint bei seinen Worten, sich zu seinen Füßen geworfen und begeistert das Kreuz sich an die Brust geheftet, aber ein Schwab läßt sich die Fastnacht nicht stören. Bald war er umringt von lustigen Gesellen. ‘Narrô! Bruder Berthold,’ rief ihm der Bikk von Almishofen entgegen und brachte ihm das volle Reifenglas zu, ‘seid um drei Tage zu früh ausgeritten, Aschermittwoch kommt später, Narrô!’
‘Nehmet hin den Saladinszehnten’, rief Diethelm von Blumenegg und verlängerte seine hölzerne Narrenschere, daß sie schwirrend mit einem Stück Rehbraten dem Prediger unter die Nase fuhr.
Der greise Bruder aus dem Gnadental ließ sich so leicht nicht abweisen. ‘Wendet und kehret euch,’ rief er im Sattel aufgerichtet, ‘tut von euch den sündigen Mummenstand, vernehmet...’
‘Wollen nichts vernehmen heut außer diesem,’ rief Rainald von Urselingen und pfiff den Flötierern hinüber, daß sie ihre unterbrochene Tanzweise weiterspielten. ‘Narrô!’ schrie ein Trupp Vermummter und sang schellenklingelnd den wohlbekannten Narrenmarsch. ‘Sacrilegium!’ rief ein anderer, ‘wir sind gute Christen, aber auch gute Schwaben, und kommt uns ein Pfaff’ auf die Fastnacht geritten, soll er Predigen lassen sein.’
Derweil hatte mir der Bruder Berthold klagenden Blickes eines seiner Pergamente gereicht, das war der ausführliche Brief eines Ritters vom Hospital, der mitgefochten in der großen Schlacht am Berge Hittin, an Archimbald den Hospitalmeister in Italien, und stund genau drin erzählt, wie sich alles zugetragen... die Kampfnot auf der in Brand gesteckten dürren Heide, Rainalds von Chatillon Gefangenschaft und Mord, der Seestädte Fall... Da schien mir unbillig, solche wichtige Kunden den Anwesenden vorzuenthalten und mit tönendem Narrô dem Prediger den Mund zu sperren.
‘Haltet ein, gebt Gott die Ehre!’ rief ich und suchte dem Bruder von Gnadental, den der Bikk mit seinem Schwarm in den Narrenumzug hinein reißen wollte, Luft zu machen.
Das war denn erwünschter Anlaß, den Streit mit mir fortzusetzen.
‘Hat er sich wieder ein besonderes, der Lateiner?’ rief der Bikk von Almishofen. ‘Fahr’ in die Heiden, laß uns in Freuden!’ schrie der Diethelm, glühend von Wein und Zorn und verhaltener Eifersucht; und sie griffen ihre hölzernen Flamberge, wie sie die Hansel führen, und stürmten pritschend auf mich ein. ‘Narrô oder Ernst?’ frug ich. ‘Wie du willst, Seehäsulein!’ war des Bikken Antwort. Andere drängten den Bruder vom Gnadental samt Grautier und Bildfahnenträgern zu des Baumgartens Pforte. Vermittelnd warf sich Rainald von Urselingen dazwischen, es frommte nicht, Streit sollte sein!... Als der Bikk und der Diethelm wie in schwerem Buhurd auf mich den Ungewaffneten einhieben, rief ich: ‘Jetzo genug, Narrô ein Ende!’
Unter der Linde am Donauquell stund in eiserner Nische ein Holzbild der heiligen Barbara, das hielt ein stumpfes Eisenschwert in Händen. Da wußt’ ich mir anders nicht zu helfen, als der Heiligen ihr Schwert zu entreißen und Hieb um Hieb tauschend mich durch die Menge zu hauen... geängsterter Aufschrei der Jungfrauen schreckte die Alten von ihrer Mahlzeit... Verwirrung allum... dem Bikk zog ich einen flachen Streich über das Antlitz, daß er betäubt wich... den verfolgenden Diethelm schwang ich wie eine Gabe Haferstroh unter den Armen und schleuderte ihn an einen Baumstamm, daß aller Trotz von ihm floh... grimmig rannt’ ich in den Burghof: ‘Heda, Knappen Hans Eisenhut, Rüdiger, Brun von Zimberholz, herbei, wer zu Hewens Stern gehört!’... Drohend sammelten sich die Meinen, bald waren die Rosse gesattelt. Da taten sich oben die Fenster der Waffenkammer auf; wie ich in den Sattel mich schwinge, streift ein Bolzen zischend an meiner Seite vorbei in des Rosses Nacken, daß es gewundet sich aufbäumt... der Bikk hatte den Schuß getan und stand hohnlachend am Fenster, die Armbrust von neuem spannend. ‘Soll dir nicht vergessen sein, dir und deiner Neuenburg nicht!’ winkt’ ich hinauf. ‘Bin unwert hier worden, Herr Markwart’, rief ich, zum bestürzten Wirt des Hauses mich wendend, ‘will Euer wacker Haus nicht zum Kampfplatz machen; von jetzt ab zwei Stunden lang halt’ ich mit Schild und Lanze auf dem Anger jenseit der Breg; wer mich finden will, mag mich suchen, sorgt für die Muhme Petrissa!’ Ohne Abschied entritt auf wundem Rosse mit den Knechten.
Draußen auf dem Anger hielt ich streitgerüstet... kein Widersacher kam... die Alten und der Klausner mochten geschwichtigt haben. Aber in mir schäumte und kochte es von erlittener Unbill und unbesonnener Jugend und Sehnen nach Rache... und als mein gutes Roß, da wir des Bikken Bolzen auszogen, zusammenbrach, sprach ich in Wut: ‘Aug’ um Auge. Zahn um Zahn! wohlauf, ihr Knechte, dem Schädiger einem Gegeschaden!’
Das todwunde Roß schleppten wir in sichern Gewahrsam, stellten die andern Rosse dazu und suchten auf wohlbekannten Schleichwegen selbsieben den Gauchabach, in dessen verborgenen Schluchten der Bikk auf seiner Feste Neuenburg horstete.
Und mein Anschlag war, meinem Roßverderber seine Burgmühle in Brand zu stecken, daß ihm ein Rachefeuer entgegen leuchte, wenn er heimgeritten komme vom Gelag.
Von jener Stunde an war ich Gottes und seiner Heiligen nicht mehr eingedenk.
Sonst, wenn ich über die Höhen von Tekkingen kam, hielt ich bei einem hölzernen Kreuze, darob das Bild des Erlösers in das Grün der Tannenwälder schaut, betete ein Paternoster und tat einen rundschauenden Blick über das wildschöne Land. Noch steht alles wie ein reiches Farbenbild vor meinem Aug’: die Hochebene mit den eng hinab geklüfteten Spalten des Bodens, durch welche der Wildbach Gaucha auf dem Eillauf zu seinem Hauptfluß sich durchgefressen und schäumend zu Tal rennt... jenseit der mühlenbesetzten Schluchten lange Rücken dunkler Tannwälder, den dem Rhein entgegen gekehrten Wutachlauf zeichnend, darüber klar und duftig, Wandersehnsucht und Hochgebirgsverlangen in der Seele wachrufen, die helvetische Alpenferne! In der guten Klosterzeit hatte ich zu Ehren jener Schluchten eine Cantilena angefertigt - sie begann:
‘ ecaliginenocturna
prominetarxtaciturna,
fortis, soliaria ’
(‘ Nächtig dunkeln Abgrundschauer
Überragt mit starker Mauer
Einsam trotzig eine Burg. ’)
und hatte die ganze Landschaft bis zu den mit scharfem Umriß in die Himmelbläue sich einzeichnenden Gipfel des Mönch und der Jungfrau in das Gedicht verwoben... jetzo stieg ich durch den Tekkinger Eichwald, die einst besungene Burg mit Feuer und Schwert zu schädigen.
Und weil mir jener Tag mit allem, was geschah, unverlöschlich in der Erinnerung haftet, so erlaubet, daß ich auch den Weg schildere, der zum Ziele des Überfalls führen sollte: es sind böse Pfade, die einer im Schwarzwald zu schreiten hat, wenn er Fehde anhebt.
Ein hoher senkrechter Felsvorsprung trägt die Neuenburg. Rings umschließt und umtürmt steilste Felswand das enge Bett des Wildbachs... in verborgenem Winkel am Ufer geht das Rad der Burgmühle... ein Steg führt über das Gewässer.
Unvermerkt die Mühle zu beschleichen, mußten wir Tiefe und Bach gewinnen. Erst ging’s über schwindelnd am Saum des Abgrunds niedersteigenden Fußpfad; von gefrorenem Schnee überlastet zwang er uns, in wildem Rutsch, mit Einstemmung der Lanzen das Gleichgewicht haltend, talab zu fahren.
In eine Seitenschlucht drangen wir ein, dort überraschte gespenstiger Anblick: Dunkel der Steinwand, rings kahle Bäume, wenig Tageslicht von oben einfallend, aber gegenüber der Talkessel von gefrorenem Wasserfall ausgefüllt; kristallhell übereist breitete sich der Fels, und zur Rechten an der Höhe starr unbeweglich wie ein Toter im Sterbelinnen, lehnte ein zweiter in Eis verwandelter Waldbach.
Feucht und schneidig kam es aus der beeisten Wildnis wider uns geweht, daß Rüstung und Gewaffen tauig anlief: hei des kühlenden Ganges nach Narrenhitze und Narrenstreit! So einer in bösen Sinnieren des Weges zieht, ist dort ein Anlaß gegeben, sich des Näheren zu bedenken. In Sündersweise schlug der alte Waffenknecht Rüdiger an die Brust, ein Gebet murmelnd, und der Brun von Zimberholz, der sonst den Teufel in der Hölle zu knebeln sich vermaß, sprach zwinkernden Auges: ‘Jungherr, es wird wilde!’
Ich aber war allzu zornmütig, abzulassen.
Je weiter wir den Bache nachdrangen, desto enger ward der Uferraum, desto steiler sprang die Kalkwand entgegen. Endlich verbaut sie den Pfad ganz. Aus dichtem Geäst des noch nicht grünenden Buchwaldes ragte jenseit der Neuenburg Turm, in der Tiefe der Burgmühle breiter Giebel. Vor uns Tosen der Gaucha. ‘Klappre mir mit den Zähnen nicht!’ rief ich dem alten Waffenknecht zu, der abermals sein Gebet murmelte, und schritt watend, die Waffen hochgehalten, durch das schäumende Gewässer. Schier hätt’ es wie Steingeröll uns fortgerissen.
Drüben angelangt, schleichen wir schweigsam, gezückten Schwertes wider den Steg. Da sitzt unbefangen einer in weißen Faschinggewand als Heini Narrô auf der Holzbrücke, läßt seine Beine schaukelnd herabhangen und sonnt sich. Auch wie er uns kommen sieht, bleibt er unverwundert sitzen. ‘Stich ihn herab’, rief ich den Burn zu, der die längste Hallparte trug... Der rennt mächtig vor, da steht der weiße Narr langsam und lächelnd auf, fährt mit dem Finger spöttisch deutend nach der Stirn, als wolle er sagen: ‘Was fällt euch ein, ihr Männer?’, greift sein Hörnlein und bläst anmutig den ersten Absatz des allbekannten Narrenmarsches; der klang fremdsonderbar, der Seele unvergeßlich durch die einsam wilde Schlucht; aber eh’ der Widerhall von den Steinwänden melodisch verklungen, stürmte von allen Seiten, auf Mühlweg und Burgweg, ein Narrenschwarm heran, alle im weißzwilchenen Pickelheringgewand, aber statt hölzerner Flamberge und Pritschen mit scharfen Bauernspießen gewaffnet.
Und sie besetzten den Brückensteg, wälzen Wurfsteine heran, schütteln die kreuzweis’ übergehangenen Riemen mit den Metallglocken, daß furchtbares Schellengetös’ das Waffengeklirr übertönte, und singen den Spottgruß:
‘ Willkomm, willkomm am Mühlebach
Fremde Spieß’ und Stangen:
Heini Narrô ist auch schon da,
Euch wacker zu empfangen! Narrô! ’
Unser Anschlag war verraten. Holzhauer, die einen Tannenbaum fällten auf der Höhe, hatten unsern Wasserpfad erlauscht und waren hinübergesprungen in das große Dorf Bachheim, wo der Burgmüller mit seinen Mühlknappen äpfelauswerfend des Narrenlaufes pflog, und hinüber nach Unnadingen, wo die von der Burghut in Mummenschanz den Wein tilgten, und hatten den ganzen Schwarm mit ‘Waffen, Narro!’ aufgejagt, daß sie keine Zeit mehr nahmen, in Streitgewand zu fahren... selbst das Bauernvolk war dem Bikk zugetan, denn auch des Geplagtseins und Geplacktseins alte Gewohnheit kann Neigung begründen.
Wie ein losgelassen Wespennest summten sie mit Übermacht herzu.
Da entspann sich wüster Raufhandel um den Brückensteg... ein ritterliches Fechten war es nicht, aber ein merkwürdiges, wert auf Pergament gemalt zu stehen: in tannendüsterer Wildnis die von sinkender Sonne rotgolden umstrahlte Brücke... der Streitenden Fastnachtaufzug... quellendes Blut auf weißen Narrenjacken... Niedergestochene mit Schellengekling in die Fluten der Gaucha versinkend... und dazu des Mühlrads einförmig weitergehend Geplapper, des Wächters Alarmhorn vom Turm, herbeieilenden Volkes die Waldschlucht durchtönend Geschrei... verzeih’ mit Gott, daß es mir nicht mißfiel.
Als der Abendstern am Himmel aufging, war es uns nicht gelungen, des Bikken Mühle in Brand zu stecken. Aber sein Müller samt dem Mühlknappen schwamm erschlagen talab und aus vielen Wunden floß neuenburgisch Blut.
Selbfünft zogen wir uns in das Waldesdickicht der Wutachberge flüchtend zurück und Heim.
... Drei Tage darauf, als noch mein wundes Haupt von dem Essig schmerzte, damit die Muhme Petrissa es gewaschen, jagte von des Wächters Turmgemach mitternächtiger Hornstoß uns vom Lager... eh’ wir gewaffnet hinausspringen konnten, Feuerschein und lohender Strohdachbrand auf einem der Häuser der Vorburg... jammernd kamen Weiber und Kinder gelaufen; Haus und Fruchtscheuer, darin der Herrschaft Kernen und Roggengilten gespeichert lagen, stund in Flammen... enteilender Hufschlag tönte von der Geysinger Straße.
Das war des Bikken von der Neuenburg und des Diethelm von Blumenegg einstweilige Antwort. Sie hatten uns das gebrannte Leid angetan und einen Burgmann, im Schlaf überfallen und geknebelt, mannraubend mit fortgeschleppt.
Da sprach ich zu meinem Vater: ‘So darf es weiter nicht sich spinnen, daß unser Handel den Lanfrieden bricht und unsere Lehenherren wider einander in Waffen ruft; was ich angefangen, sei von mir allein zu Ende gefochten.’
Etliche Weile später sollte zu Schaffhausen eine ritterliche Hochzeit begangen werden mit Ringelrennen, Speerschaftbrechen und mannigfachem Waffenspiel. Die Rothraut war wieder bei ihres Vaters Schwester auf der Burg am Rheinfall. Da wußt’ ich, daß der Diethelm bei jenem Fest nicht fehlen würde.
Ritt also aus, zu mildem wie scharfem Fechten wohlgewaffnet, von niemanden begleitet, zum schlimmsten entschlossen.
Wie der hohe Randen hinter mir lag und schon Schaffhausens Munot (Der die Stadt beherrschende Rundturm, übrigens ein Bauwerk des 16. Jahrhunderts) aus seiner Tiefe heraufragte und zur Rechten in dumpfer Ferne der Rheinfall rauschte, da erschau’ ich auf nachbarlichem Waldweg einen Reiter traben, gewaffnet wie ich in Eisengewand, um den Helm ein Kränzlein mit Frühlingsblumen geschlungen. Ich kannte des Blumeneggers Abzeichen, hielt mein Roß, rief ihn mit dem Kampfruf ‘Juniperus!’ hart an und legte den Speer in die Seite. Der Diethelm verstand den Zuruf. ‘Rothraut!’ antwortete sein Krie (Ritterliches Kampfgeschrei), den Speer eingelegt, sprengte er heran. Da tyostierten wir so gewaltig widereinander, daß mein Schaft ihm den Schild mit den roten Balken und blauen Wolken mitten durchbohrte, den Arm zerstach und den hintern Sattelbogen wegriß.
Aber auch ich mußte durch seinen Stoß erlernen, was Fallen sei. Beide stunden wir, ab den Pferden gehoben, im frischgepflügten Ackerfeld... nun ward der Schwerter nicht vergessen, triefend in Schweiß und Blut droschen wir aufeinand, als stünde Christ und Sarazen im Streit; dem Diethelm war nur ein Fetzen des Schildes noch verblieben, da erklang’ s an beiden Helmen, da trafen, wie erst die Lanzen, beide Schwerter gleichzeitig ihr Ziel. Über das Haupt gehauen, taumelte ich nieder; der Diethelm, vom Sturz schon betäubt, sank meinem ungefügten Streich... stöhnend lagen wir in des neugebrochenen Ackers Furchen.
Es war ein einsamer Ort und Abendstille, niemand Kampfzeuge als die dunkeln, blaugrauen, von schwerem Gewölk überzogenen Häupter der fernen Alpen. Die Wipfel des Bergwaldes durchkrachte Gewitterwind.
Mählich klärte sich da und dort der Himmel. In zerrissenem Gewölk ging die Nacht auf. Betaut von Regen und Blut lag ich auf dem Rücken, über mir unbekannte klare Sterne, die Landschaft tief schwarz, jenseit um den fernen Schwarzwald aufzuckend elektrisch Leuchten, von hellen Blitzen durchschnitten. Auch am Boden unfern von uns hub sich zuckend Schimmern, daß Helm und Harnisch vom Sankt Elmsfeuer umsäumt glasteten.
So lag ich, ein wunder Mann, eingetaucht in der Erde phosphorisch blauleuchtenden Dunst, des Himmels siderische Ruhe zu Häupten. Und auf dem finstern Waldweg scholl ein Glöcklein und schritt mit vorgetragener Kienfackel der Leutpriester von Mörishausen, einem Sterbenden die letzte Wegzehrung bringend.
Da kam fremde Kraft und fremdartig Denken über mich. Schwerfällig schob ich mich zum Diethelm hin, löste den Dolch Misericordia aus dem Gürtel, kniete an dem Schwergewundeten empor und rief ihm seinen Namen in das Ohr. Er schlug die Augen auf. ‘Stoß zu!’ stöhnte er.
‘Magst du noch immer vom Buchstab’ R nicht lassen?’ frug ich.’
‘Neinâ!’ sprach er matt und trotzig, ‘stoß’ zu! Ich hab’ s verdient. Nicht um dich: der Rainald...’
‘Um Gottes willen,’ schrie ich und hielt die Hand abwehrend wider seine Lippen, ‘ich will nicht wissen, was du dem Rainald getan...’ Den Dolch stieß ich in die Scheide zurück. ‘Schau, Diethelm,’ sagte ich, ‘alte Brüder und Lerngesellen wie wir, sollten einander nicht mit Dolch und Gnadenstoß das letzte Fahrwohl sagen. Des Streites wäre genug. Wenn wir nicht auf freiem Felde verenden und wieder heil werden...’
‘...müssen wir wiederum fechten auf Leben und Sterben!’ fiel Diethelm ein.
‘Müssen wir?’ unterbrach ich seine Rede, ‘sieh zu, alter Gesell, ob wir müssen. Eins bleibt wahr, solang keiner von uns den Buchstab’ R vergessen mag ist einer von uns zu viel auf der Welt...’
‘So ist es!’ seufzte der Diethelm.
‘Aber nicht unsere Hand soll Raum schaffen, Diethelm,’ sprach ich; ‘Blutschuld am Freund mag nicht um Minne werben. Ein anderer soll das Urteil fällen!’ Ich wies nach dem Rhein, der grollend durch die schweigsame Nacht seines Falles Brausen ertönen ließ. ‘Wollen jenen zum Schiedsrichter machen,’ fuhr ich fort, ‘ihn, durch den wir dem Kloster entschwommen, da jene Unsegensminne die Herzen zu umstricken begann, unsern alten guten treuen Rheinauer Rhein! Wollen wieder eintauchen in seine Flut, nicht gegen ihn, mit ihm, da wo er, der Rothraut Söller nahe, über Klippen und Felsen tobend hinabstürzt. Dort im Laufenfall sprüht der Tod so sicher wie von unserer Schwerter Schneide; dort laß uns hindurchsausen! Wem der Rhein durch seine Fälle Paß gestattet, der mag die Rothraut freien; wen er zerschmettert, gut, der läßt es sein.’
Bauern aus der Nähe hatten unsere Rosse eingefangen und fanden uns im Felde liegen. Sie kamen mit Tragbahren, uns nach der Stadt zu schleppen.
‘Eingeschlagen!’ sprach der Diethelm, da wir auseinander kamen, ‘eingeschlagen, mein Leben ist verwirkt, im Rheinfall sehen wir uns wieder!...’
Und was ich jetzo zum Schluß meiner Geschichte zu erzählen habe, ist schwere Aventiure. An meinem Krankenlager erzählten sie, der Rainald liege auf den Tod geschossen auf der Urselinger Burg, wisse nicht von wem.
Es dauerte lang’, bis unsere Wunden heil waren. Aber als der Mai die Wiesen zu blümen begann, erhielt ich vom Diethelm die Frage: ‘Bist du bereit, Juniperus?’ und gab zurück. ‘Ich bin’ s, Diethelm.’ Stumm, das Geheimnis in der Brust verschlossen, einem Zweig vom alten Turmwacholder an der Jägerkappe, verließ ich die gute Neuenhewen.
Ich habe sie nicht wiedergesehen.
Und am Morgen des fünften Maien - da wir stürmten am Fluchturm, war der Jahrestag - knieten wir in der Kirche des Allerheiligenklosters oberhalb Schaffhausen, traten eine christliche Beicht’ für alles Vergangene und machten Frieden mit Gott.
Der Diethelm zitterte, wie er von dem Priester kam. Ohne unsern Vorsatz zu offenbaren, schritten wir zum Rheinstrand. Jeder hatte seinen Kahn bereit, mit Rudern und einem Fähnlein, das sein ritterlich Wappen trug.
Auf das Laufenschloß über dem Fall hatten wir einen Boten gesandt mit der Botschaft: ‘Wenn Rothraut von Almishofen heutigen Morgens den Söller nicht verläßt, mag sie auf dem Rhein Aventiure erschauen.’ Der Bote hatte nicht verraten, von wem er komme.
Mit fest ausgepolstertem Lederwams traten wir uns zu der Fahrt an. Zwei ungleiche Halme in der Hand verschließend, bat ich den Diethelm zu ziehen, wem auf rechter, wem auf linker Stromseite zu fahren zufalle. Er zog für sich die linke Seite. Wir umarmten einander lang’ und schweigend.
‘Ohne Groll!’ sprach er endlich.
‘Ohne Groll!’ sprach ich. ‘Im Namen Gottes, ab!...’
...Gleichzeitig stießen wir vom Lande und ruderten nebeneinander an Schaffhausens Mauern und Türmen vorüber. Laut und lauter begann das Herz zu schlagen. Es ging dem Rheinfall entgegen. Des Frühlings Hochgewässer hatten ihn angeschwellt, daß er stärker toste denn gewöhnlich.
Einmal war’ s, als bringe der Wind Zitherspiel durch die Lüfte: hoch über uns, auf dem Söller des Laufenschlosses, stand ein Kreis von Frauen; ich erkannte der Rothraut braunes Gewand, das sie um Fastnacht getragen.
Schon rissen die Wogen schneller die Boote. Wie sein Los ihm bestimmte, steuerte der Diethelm nach der linken Stromseite, zwischen dem Laufenschloß und dem dunkeln Fels, der in Mitte des Stroms schief emporragend den Fall in zwei Hälften teilt. Er hatte sein Ruder niedergelegt und stand aufrecht im vorwärts schießenden Nachen, in seiner Rechten flatterte das Fähnlein mit Blumeneggs roten Balken und blauen Wolken im silbernen Feld.
Ich ruderte zur Rechten. Im offenen Eisenhammer am Ufer hämmerten die Schmiedknappen ein glühend Eisen platt, Funken stiebten um die dunkle Halle.
Einen letzten Blick warf ich hinüber zum Söller... o daß meine Augen blind geworden und mein Herz zerbrochen wäre für immerdar!... Die Rothraut zog in diesem Augenblick ihr rotes Glasstück auf der Tasche, damit der Strom und was in ihm vorübertrieb, sich farbenwilder ausnehmen möge... und sie schaute unbeweglich durch.
Da legte auch ich mein Ruder nieder, kreuzte die Arme über die Brust und ließ dahintreibend dem Strom sein Recht.
Jetzt schwankte und tanzte zuerst des Diethelms Boot und schoß wie ein Pfeil in die Stromschnelle; fortgerissen tauchte es unter, noch einmal hob es aufbäumend sich empor, noch einmal schwang Diethelm sein Fähnlein, dann von Gischt und Schaum und der Wellen tobendem Zusammenschlag überströmt, sank Mann und Schiff.
Durch meinen Nachen fuhr schütternd ein Stoß. Wasserwirbel riß ihn wie einen Taumelnden; hinausgeschnellt flog Ruder, flog Wappenfähnlein in die Flut... ich fühlte der Strömung gähes Bergabschießen... schaumumzischt hob ich noch einmal den Blick, da sah ich nichts mehr rundum als tauig aufsprühenden Wasserschwall, durchglänzt von regenbogenfarbener Spiegelung und hoch über mir Gottes blauen Himmel... als wollte er Zeuge sein des vermessenen Schauspiels, hielt gerade ein Gabelweih unbeweglich droben im Ähter und schwebte, die krummen Fittiche ausgebreitet, ruhig und starr über der Brandung. Jetzt krachte und schütterte ein zweiter Stoß... angeprallt an verborgenen Fels barsten des Nachens Planken... bogenförmig hinausgescheudert flog ich in die milchweiß aufschäumende Sturtzflut... hochauf pochte das Herz, als sterb’ es und sei schon gestorben, um die Ohren toste eine Getöse, als wenn tausend Schmiedehämmer schwer einschlagend niederdonnerten auf eiserne Ambosse und wenn tausend Blasbälge zischend in die Glut schmelzenden Eisens hineinbliesen, prasselnde Wassergüsse drauf strömend, aufdampfend, lärmend, unfähig die Glut zu löschen... so von infernalem Gebraus’ das arme Haupt durchtobt... Himmel, Erde, Wasser, Feuer, Donner Gottes und Qual der Hölle, alles mit Schnelle des Blitzes um den Versinkenden wirbelnd... so durchsauste ich des Rheines gräßliche Schrecken und fuhr kopfüber hinab zu Tale, wo auf zerspültem Kalkfels die Bretterwände einer Fischerhütte friedlich emporschauen in den tosenden Strudel.
... Wie ich weiter schwimmend mich hindurchgearbeitet, weiß ich kaum. Als mein geschunden Bewußtsein wieder aufzuleben begann, war ich in der alten Klosterschulheimat Rheinau. Fischer vom Nohl hatten den Dahintreibenden aufgefischt.
In die Vorhalle der Büßer hatten mich die Mönche gelegt... Kloster und der Kirche Inneres dem Sünder sperrend.
Wie ich die Augen aufschlug, brannten Lichter in dem Vestibulum; von den Steinpfeilern schauten der vier Evangelisten Säulenbilder auf mich hernieder, vor mir stund der Abt Heinrich von Wartenberg und ließ seinen strengen Blick auf meinem zitternden Körper haften, besprängte ihn mit geweihtem Wasser und sprach:
‘Ihr habt Gott versucht mit eurem Stromordal (Strom - Gottesgericht), du und jener andere, den der Rhein verschlungen. Und wer im Frevel üppigen Herzens die Schwelle des Todes überschritt und vernahm, wie die Donner der Unterwelt über ihm zusammenschlugen, der soll als ein neuer Mensch zu Gottes Stromtaufe zum Leben erstehen.
Gottfied von der Neuenhewen, auf daß die Bürger dieses Landes nicht mit Fingern auf dich deuten und sprechen: der hat an seinem Schöpfer gefrevelt! sollst du Buße tun als ein echter und rechter reuiger Büßer, sollst kein farbig Gewand mehr tragen und die Waffen nur gegen der Christenheit Erbfeind, sollst fasten bei Wasser und Brot jeden Mittwoch und jeden Freitag, und wo du in einer Kirche zu Gott beten willst, sollst du barfuß sie betreten und eine Rute in der Hand halten.
Von der schwäbischen Erde sollst du dich abscheiden, sollst deines Namens vergessen und deines Standes, sollst von heute ab zwei Jahre lang kein Wort mehr über die Lippen bringen und dich als der niedrigste der Knechte Gottes seinem Dienste stellen, sobald die Drometenruften zum Streite für des heiligen Grabes Befreiung.
Gottfried von der Neuenhewen, sei gebannt von heute an und abgeschieden aus der Gemeinschaft deiner Kirche und deiner Heimat, ein schweigender Mann, bis deine Buße gelöst!’
Grabtiefen Tones stimmten die Brüder einen Psalm an, ich aber warf mich dem Abte zu Füßen und küßte reumütig den Saum seines Gewandes und legte die Finger auf die Lippen, Schweigen gelobend und Heerfahrt des Kreuzes. Des Gehens wieder fähig, fuhr ich Knechtsweise von dannen.
Vale dulcis patria, suavisSuevorumSuevia!
(Leb wohl, süße Heimat, der Schwaben liebliches Schwaben!)
Ein Brief des Abtes wies mich nach Reinhardtsbrunn, das mit Rheinau durch gemeinsame Beobachtung hirsauischer Ordensobservanz verbrüdert ist.
Das Weitere, werte Herren und Streitgenossen, wisset ihr. Am Tage, da ich euch zur Seite auf Akkons Wall in die Heiden schlagen durfte, war meines Schweigens Frist abgelaufen.
Und also lief des Juniperus Weg vom Berg Neuenhewen im Hegau zum Berg Karmel im Gelobten Lande.”
Nachwort
Wenige Monate bevor der klassische Dichter des Alemannentums, Johann Peter Hebel, sein irdisches Dasein beschloß, beginnt Scheffels Lebensbahn. Während de Sänger der alemannischen Gedichte, frühverwaist, in beschiedenen Verhältnissen heranwuchs, ist der am 16. Februar 1826 in Karlsruhe i. B. geborene Scheffel wohlbehüteter Sproß eines badischen Bürger- und Beamten- Hauses gewesen. Noch in demselben Jahre erwarben die Eltern jenes Anwesen in der Stephanienstraße, das als „Scheffelhaus“, der Schauplatz einer sorglos heiteren Jugend und später dem unrastig umhergetriebenen Manne bergende Zufluchtsstätte vor des Lebens Stürmen gewesen ist.
Des Dichters Vater, Philipp Jakob Scheffel, war ein Sohn des mittleren Schwarzwaldes; Gengenbach, das alte Reichsstädtchen in der Ortenau, ist seine Wiege. Ihn drängte es zu einem praktischen Berufe. So verschrieb er sich in militärischen Diensten der noch jungen Ingenieurwissenschaft. Im Jahre 1817 berief man ihn in die Rheinregulierungskommesion, wo er Mitarbeiter des Stromkorrektors J. G. Tulla wurde. Später trat er zur badischen Wasser- und Straßenbaudirektion über. Er war eine schlichte biedere Natur, den die Bürgertugenden der Gerechtigkeit, Pflichttreue und Heimatliebe zierten.
Im Gegensatz zu dem lotrechten, rationalem Denken huldigenden Vater war des Dichters Mutter eine phantasiebeschwingte, schwärmerisch veranlagte Natur. Josephine Scheffel entstammte dem Stadtschulttheißenhaus Krederer in Oberndorf am Neckar. Die “Frau Majorin”, wie man sie in Karlsruhe nannte verband praktisch regen sozialen Sinn mit lebhaftem vaterländischem Fühlen und poetischer Begabung. Eine gesellige Natur, machte Josephine ihr Haus zur Pflegestätte einer anheimelnden Gastlichkeit, in deren Kreis vor allem auch Künstler willkommen waren.
Auf dem Gymnasium der badischen Residenz bewährte sich der junge Scheffel als Musterschüler. Frühe ging ihm, gleich seinem Juniperus, die Sprache der Lateiner “mit voller Gewalt in der Seele auf”. Nicht minder aber fesselten ihn deutsche Geschichte und Dichtung. Totem Bücherkram ist er jedoch niemals hörig geworden, denn die Eltern weckten und förderten Natur- und Heimatgefühl des Kindes in tatkräftiger Weise. Gar bald war dem Heranwachsenden die oberrheinischen Gefilde sowie weitere Teile des süddeutschen Raumes an der Seite des kundigen Vaters begeisterungsvoll erwanderter Besitz geworden. Wandertrieb und Wanderfreude bildeten auch künftig jene Lebensimpulse, denen Scheffels zum Schwernehmen der Dinge geneigte Natur der gesegnetsten seiner Stunden, die reifsten Früchte seiner poetischen Ernte danken sollte.
Als der noch nicht Achtzehnjährige im Juli 1843 als “Primus omnium” das Karlsruher Gymnasium verließ, hätte der Wunsch seines Herzens danach gezielt, Maler zu werden. Allein er hatte die Rechnung ohne den Vater gemacht, der zur Sicherung der Zukunft ein Brotstudium verlangte. Als kleine Entschädigung für die versagte Künstlerlaufbahn gestattete der Major seinem Sohn zwei Semester in der unter König Ludwig I. aufblühenden Kunststadt München. In Heidelberg, Berlin und abermals Heidelberg, wo das Staatsexamen abgelegt wurde, warf sich Scheffel in die Wogen der burschenschaftlichen Bewegung. Die politische Hochspannung, die die nahen Revolutionsjahre von 1848/49 ankündigte, bebte auch ihm durchs Blut. Im Kreise fröhlicher und trinkfreudiger Kommilitonen entstanden damals viele jener Studentenlieder, die Scheffels Name zwar volkstümlich gemacht aber über den Kern seines Wesens, der tiefgründigerer Art war, zugleich hinweggetäuscht haben. Als der Märzsturm des Jahres 1848 aufstob, zählte der junge Rechtspraktikant zu jenen Idealisten, die der Hoffnung lebten, die kreisende Zeit werde ein großes, in Einigkeit zusammengeschlossenes Vaterland gebären. Als Sekretär des badischen Bundestagsmitglieds und Historikers Welcker war es ihm vergönnt, in Frankfurt die Sitzungen des Vorparlaments und der Nationalversammlung als Augen- und Ohrenzeuge zu verfolgen, aber aus einer wachsenden Enttäuschung wurde schließlich völlige Hoffnungslosigkeit.
Jene “spezifische Schwere des Daseins”, mit der sich der Dichter zeitlebens herumgeschlagen hat, ohne sie jemals völlig aus der Seele bannen zu können, kam ihm damals zum ersten Male zum Bewußtsein. “Krank an den Widersprüchen der Zeit und des eigenen Herzens” entschloß sich Scheffel, dem Drängen des Vaters gehorsam, zu einer ernstlichen Aufnahme des Juristenberufes, mit dem er sich freilich niemals sonderlich befreunden wollte. Die Berührung mir der kräftigenden Natur des südlichen Schwarzwalds und Hochrheins, mit der kernhaften Bevölkerung des Hauensteiner Landes, die dem Rechtspraktikanten in Säckingen entgegen traten, wirkte wohltuend auf Scheffel, der in den an seine Eltern gerichteten “Säckinger Episteln” ein freundliches Bild jener Tage zeichnet. Allein dies Glücksgefühl war nicht von Dauer. Durch einen Zusammenstoß mit dem Platzkommandanten Hauptmann Schwartz umwölkte sich der heitere Säckinger Himmel, und gar die traurige Amtspflicht, mehrere hundert Personen aus dem Kirchspiel Herrischried, für die die Heimat weder Raum noch Brot hatte, zu einer auf Staatskosten erfolgenden Auswanderung ausrüsten zu müssen, lastete beklemmend auf seinem mitfühlenden Herzen.
War Scheffel bisher auch mehrfach als Mann der Feder hervorgetreten, so glaubte er doch immer noch, daß es ihm bestimmt sei, als Maler die erhoffte innere Befriedigung und Schaffensfreude zu finden. Nachdem er nochmals einem Wunsch des Vaters folgend, kurze Zeit am Hofgericht in Bruchsal tätig gewesen war, erlangte er endlich die heiß ersehnte Bewilligung zu einer Studienfahrt nach Italien. Er zog aus, um unter der Sonne des Südens zum bildenden Künstler zu reifen - als Dichter kehrte er zurück. Denn soviel an lockenden und verzaubernden Eindrücken die Fremde auch bieten mochte, das Bild der Heimat entschwand niemals Scheffels Blicken. Mitten im römischen Winter träumt er von den geliebten Schwarzwaldbergen. Die Gestalten des “Trompeters von Säckingen” treten leibhaftig auf ihn zu. Begonnen in Rom, reift das Werk in Capris Felseneinsamkeit der Vollendung zu. Mag man auch das überschwengliche Urteil früherer Geschlechter über diese locker gefügte Verserzählung nicht mehr in allen Stücken teilen, die Impulse, denen der “Trompeter” entströmte, waren so ursprünglich echter Art, dass man den Natur- und Volkstumsschilderungen sowie den humoristischen Partien, die in der Gestalt des philosophischen Katers Hidigeigei an Heines blitzende Ironie streifen, Achtung und Liebe nicht versagen sollte.
Der nur zögernd sich einstellende Erfolg schien zunächst keinerlei Sicherung der Zukunft verbürgen zu wollen. Zeigte sich der Dichter auch einer Fortsetzung der Beamtenlaufbahn abgeneigt, so vermochte der Zuspruch der Eltern ihn schließlich zu bestimmen, sich in dem als einer Art Herzensheimat empfundenen Heidelberg auf das Amt des Hochschullehrers vorzubereiten. Zu diesem Zwecke trieb Scheffel rechtsgeschichtliche und germanistische Studien, in deren Verlauf er dem lateinischen Waltharilied des Mönches Ekkehard I. und den Casus Sancti Galli begegnete. Als “Arbeit langer Winterabende” wurde das Epos in Nibelungenstrophen eingedeutscht, und die aus der Beschäftigung mit dem Liede erwachsende Frage, aus welchen Motiven und Erlebnissen wohl ein Mönch des 10. Jahrhunderts zum epischen Dichter werden mochte, gab den Anstoß zum Roman “Ekkehard”. Nach einem Besuch der St. Gallener Klosterbibliothek wurde er im Jahre 1854 teils auf dem Hohentwiel, teils in der Studierstube des Karlsruher Elternhauses geschaffen, das noch fehlende Schlußkapitel, schmerzliche Frucht einer herben Liebesenttäuschung, in der Einsamkeit des Äscherwirtshauses unterhalb des Säntis vollendet. Was wir heute an dem Werke, das seines Schöpfers Namen weithin berühmt gemacht hat, vor allem lieben, ist weniger das “Historische” des Romans, das Scheffel durch viele gelehrte Anmerkungen zu stützen versuchte, als vielmehr die herrliche Verklärung süddeutscher Landschaft und Volksart, die, durch das geschichtliche Gewand nur leise verhüllt, in zeitlos ewiger Schönheit durchschimmert.
“Ekkehard”, an dem Scheffel bis zur Erschöpfung seiner geistigen und körperlichen Kräfte gearbeitet hatte, bedeutet den Gipfelpunkt im Schaffen des Dichters, dessen weiteres Leben ein tragisches Ringen darstellt, diese Höhe nochmals zu erreichen, und, nach schmerzlichem Scheitern der dahin zielenden Versuche, in Resignation ausklingt. Zunächst fesselte, nach Abschluß des “Ekkehard”, die poesieumhauchte Erscheinung Irene von Spilimbergs Scheffels Phantasie. Die Spuren dieser Frühverstorbenen Schülerin Tizians zu verfolgen, begibt sich Scheffel 1855 nach Venedig. Vor der dort ausbrechenden Cholera flieht er in die Alpeneinsamkeit von Toblino. Nach schwerer Nervenerkrankung wird die Arbeit in München, wo sich ihm als Gesinnungsgenossen der um König Maximilian II. gescharte Dichterkreis eröffnet, 1856/57 wieder aufgenommen. Vom Bruder gerufen, kommt die zärtlich geliebte Schwester Marie, die der Heldin des geplanten Romans in vielen Zügen glich, an den Isarstrand, wo sie in vollster Lebensblüte einer tückischen Krankheit erliegt. Unter der Wucht des Verlustes und der Selbstvorwürfe bricht Scheffel zusammen. Auf weiteren Wanderfahrten sucht der Ruhelose Vergessen, bis ihn 1857 ein Ruf des Fürsten Karl Egon von Fürstenberg ereilt, die soeben durch die Schätze der Lassberg’schen Sammlungen vermehrte Bibliothek in Donaueschingen zu betreuen. Wenige Tage, nach dem Scheffel einwilligt, nimmt ihm Großherzog Carl Alexander von Sachsen- Weimar- Eisenach das Versprechen ab, einen großen Wartburgroman mit dem Gipfelpunkt des Sängerkriegs zu schreiben. Der Widerstreit zwischen der Pflicht, im Donaueschinger Amte auszuharren, und dem Drang, in freiem Schaffen sich dem neuen Werke hinzugeben, stürzt den Dichter in schwere, bis zur Selbstquälerei gesteigerte Konflikte. Fürs erste glaubte er allerdings, an den Quellen der Donau beiden Aufgaben genügen zu können. Der Wartburgroman wurde begonnen, die Umrisse der Juniperusgestalt, die innerhalb des Ganzen freilich nur als Episodenfigur gedacht war, lösten sich aus dem Schattenreich des Unbewußten.
Auf “Juniperus” Spuren ist der Dichter zum Entdecker mancher bis dahin kaum beachteter landschaftlicher Reize geworden. Die romantische Schönheit der dem Hochrhein zuströmenden Bäche Wutach und Gauchach wird noch dadurch erhöht, daß der Wanderer sie zunächst “im Sturmesbrausen des noch märzkahlen Waldes” erlebt hat. An einer Mühle sieht er sich ins Gewoge der maskenfrohen Volksfasnacht gewirbelt, und dessen rauhnächtiger Ruf “Narri, Narro” hallt in den “Juniperus” hinüber. Rast hielt der Dichter zumeist in der “Linde” zu Achdorf, dem “Pagus rusticus”, den er zusamt dem dort aufgefundenen Namen Springmitdemglas im lateinischen Gedicht gefeiert hat. Unfern erhob sich die alte Feste Blumenegg, wo die poetische Phantasie den Nebenbuhler des Helden, Diethelm von Blumenegg, angesiedelt hat.
Juniperus selbst ist auf Burg Neuenhewen Zuhause, deren Überreste zu Scheffels Zeiten bereits als “ ‘s Stettener Schlößle” bezeichnet wurden. Ein aus dem Turmgemäuer hervorsprossender Wacholderstrauch hat den Dichter auf den Namen Juniperus, die lateinische Bezeichnung für diese Pflanze, gebracht. Wie dort an einem milden Frühlingsabend die Vision der im poetischen Gleichnis festzuhaltenden Gestalten vor Scheffels Auge auftauchte, hat dieser selbst im Vorwort seiner Erzählung anschaulich berichtet. Einen weiteren Schauplatz derselben, das Inselkloster Rheinau, hat der fürstliche Buchwart zunächst in dienstlicher Eigenschaft kennen gelernt. Entsandte ihn doch Karl Egon III., um in der Klosterbibliothek Urkunden aufzunehmen. “Da nahm ich meist in Schaffhausen ein Boot, sprang geradewegs in die Vorhalle des Klosters und war oft tagelang auch einer, der im Scriptorium alte Schriften abschreibt und Siegel nachformt, dafür aber auch an des Abt Tafel mit benedicite und laudate Dominum den herzstärkenden, goldgelben Korbwein trinken durfte.”
Nach Aufgabe der Donaueschinger Stellung fertigte Scheffel im Mai 1859 die Reinschrift des “Juniperus”, die am 9. Juni, 49 Folioseiten stark, nach Weimar wanderte. “Es ist,” erklärte der Autor seinem fürstlichen Gönner, “eine Schwarzwälder Novelle, die auch ohne Zusammenhang mit dem Ganzen gelesen werden mag.” Scheffel, noch immer auf das Zustandekommen des Gesamtwerks vertrauend, ahnte damals noch nicht, daß er sieben Jahre später tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und “Juniperus” als selbständiges Buch veröffentlichen werde.
Am Wartburgroman zerbrach Scheffels Schaffenskraft. Neue Wanderfahrten an die Donau bis Wien, in die bayrischen, österreichischen und Schweizer Alpengebiete, in die fränkische Schweiz und den Thüringer Wald sollten ihm jene lebendigen Eindrücke darbieten, die allein sein schöpferisches Vermögen befruchten konnten. Wohl entstanden damals zahlreiche, als lyrische Einlagen in den Roman gedachte Lieder, die später in der Gedichtsammlung “Frau Aventiure” und als “Bergpsalmen” veröffentlicht worden sind. Im übrigen aber verbaute sich der Dichter durch eine übermäßige Anhäufung von Vorstudien und Quellenmaterial den Weg zum freien dichterischen Schaffen, so daß der nervös völlig zusammengebrochene Mann schließlich den unerfüllten Auftrag in die Hand des Wartburgherrn zurücklegen mußte. Die “spezifische Schwere” des Daseins mußte er auch weiterhin erfahren, denn die im Jahre 1864 geschlossene Ehe wurde statt der von ihr erwarteten Neubelebung des dichterischen Triebes zur schmerzlichen menschlichen Enttäuschung, und wenn im Jahre 1867 auch noch eines der volkstümlichsten Werke Scheffels, sein “Gaudeamus”, herauskam, so handelte es sich um keine Neuschöpfung, sondern lediglich um die Sammlung bereits früher entstandener Wander- und Studentenlieder. Sie haben ihrem Autor den Ruhm eines großen Humoristen eingebracht, wobei man allerdings nie übersehen sollte, daß dieser Humor keineswegs die Frucht eines unbeschwert heiteren Naturells war, sondern einem im Grunde schwerblütigen, unablässig mit sich und dem Dasein ringenden Charakter abgetrotzt wurde. Wer das weiß, erblickt auch im Scheffel’schen Humor mehr als leichten Schaum einer fröhlichen Kneip- und Kommersstimmung. Erst die Kenntnis des Menschen Scheffel, rückt auch sein dichterisches Schaffen ins richtige Licht, gibt diesem einen ungeahnt tiefen, oft erschütternden Hintergrund. Man muß dieses Schaffen geradezu als Protest gegen die Lebensumstände auffassen, unter denen er erwuchs. Denn während in Scheffels privater Sphäre Zwiespalt, Zweifel, Problematik, eine bis ins Krankhafte gesteigerte Reizbarkeit der Nerven herrschten, entläßt die Dichtung nie ohne den Versuch lösender Synthese, und so mutet sie uns, soviel ihr Träger von innerer Zerrissenheit, krankhaften Zuständen heimgesucht sein mochte, durchaus gesund, kräftig und lebenstüchtig an.
Die Beliebtheit seiner Werke sicherte Scheffel, wenngleich er in den letzten Jahrzehnten seines Daseins bis auf wenige unwesentliche dichterische Äußerungen völlig verstummte, ein materiell sorgenfreies Leben sowie den Erwerb eines schönen Besitzes im Herzen jener Landschaft, die seine Dichtung verklärt hatte, auf der Seehalde bei Radolfzell. Am 9. April starb er im Vaterhause zu Karlsruhe, nachdem er sich kurz vorher, bei der rauschenden Feier seines 60. Geburtstages, noch einmal von seiner ungemeinen Volkstümlichkeit, besonders bei der akademischen Jugend, hatte überzeugen können. So schließt sich, zum Ausgangspunkt zurückkehrend, der Stromkreis eines Daseins, in dem die Zeitgenossen vorwiegend Erfolg, Ruhm und Glück sahen, während wir darin die ergreifende Schaffenstragik erblicken.
Die vorliegende Ausgabe folgt, nach nochmaliger Vergleichung, dem Druck der so genannten kleineren Ausgabe des “Juniperus”, die 1871 im Verlage der J. B. Metzlerschen Buchhandlung in Stuttgart erschienen ist. Zwei Verbesserungen, die bereits Friedrich Panzer in seiner Ausgabe der Werke Scheffels (Bibliographisches Institut Leipzig- Wien) getroffen hatte, sind übernommen worden. Im Hinblick auf die rein künstlerische Wirkung von Scheffels geschlossenster erzählerischer Konzeption habe ich auf den vom Autor angefügten gelehrten Anhang mit den Quellennachweisen verzichtet, hingegen das für die Entstehungsgeschichte sehr aufschlußreiche Vorwort des Dichters leicht gekürzt beibehalten.
Wilhelm Zentner
Dies ist eine Abschrift des 1952 erschienenen Taschenbuches “Juniperus” (Reclams Universal- Bibliothek Nr. 5935) aus dem Reclam Verlag Stuttgart. Dank an Herrn Schlatter Rudi, Friedrich- Ebert- Str.47, 78166 Donaueschingen für die Leihgabe des Originals zur Abschrift. Diese Abschrift wurde 1995 erstellt von Widowitsch Robert, Immenhöfe 14a, 78166 Donaueschingen und ist für die Mitglieder und Freunde des Historischen Narrenverein Hans-Heini-Narro Allmendshofen 1995 e.V. bestimmt.